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Die BND-Abhöranlage Bad Aibling.

Foto: APA

Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) hat Freunde aus aller Welt systematisch ausgespäht, darunter auch das österreichische Innenministerium. Dies berichtet der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Das Nachrichtenmagazin bestätigt damit die Aussagen des deutschen Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom, der im Juni im STANDARD-Interview sagte, dass "BND und NSA österreichische Sicherheitsbehörden anzapfen."

Aber auch die Ministerien der USA, Polens, Dänemarks und Kroatiens standen auf der Spähliste des deutschen Geheimdienstes. Zusätzlich wurden Anschlüsse der US-Vertretungen bei der Europäischen Union in Brüssel und den Vereinten Nationen in New York sowie des amerikanischen Finanzministeriums in Washington abgehört. Sogar die Hotline des US-Außenministeriums für Reisewarnungen stand auf der Liste.

Enge Zusammenarbeit mit Bundesheer

Der BND ist seit Jahrzehnten der engste Partner heimischer Geheimdienste – besonders eng ist die Zusammenarbeit zwischen Heeresnachrichtendienst (HNA), einem der Bundesheergeheimdienste, und seinem Gegenstück aus Deutschland. Die Neutralität Österreichs spielt dabei keine Rolle.

Ein Verzicht auf die Zusammenarbeit sei "unverzeihlich", da in diesem Fall österreichische Staatsbürger und Soldaten weniger sicher wären, hieß es dazu im Oktober des vergangenen Jahres auf Anfrage des STANDARD. Schließlich würden Informationen der NSA, des BND und anderer befreundeter Dienste dazu genutzt, Risikoanalysen bei Auslandseinsätzen zu erstellen. Die Infos seien "absolut vital, um zum Beispiel Anschlägen auszuweichen". Warum man dafür ausgerechnet das österreichische Innenministerium ausspionieren muss, steht in den Sternen.

Der Bau der Bundesheer-Abhörstation Königswarte bei Hainburg wurde in den 1950er Jahren von den Vereinigten Staaten finanziert. Die gewonnenen Daten gingen auch an den BND.
Foto: Markus Sulzbacher

Ein wenig Licht in das Dunkel könnte eine aktuelle parlamentarische Anfrage bringen, die Mitte Oktober eingebracht wurde und Informationen über die Aktivitäten des BND fordert. Aus dem Innenministerium heißt es dazu, dass man die Causa prüfen werde.

Seit einigen Monaten beschäftigt auch die "Operation Eikonal" Politik, Justiz und Medien in Deutschland und Österreich. Dabei handelt es sich um eine zwischen 2004 und 2008 gelaufene geheime Aktion zwischen Bundesnachrichtendienst (BND) und NSA, bei der Daten der Deutschen Telekom abgezapft wurden. Darunter sollen sich auch Leitungen aus Österreich befunden haben, die von der Telekom Austria angemietet worden waren. Obwohl grüne Nationalratsabgeordnete Peter Pilz in den letzten Monaten Dokumente über die Operation vorlegt, reagierte die Regierung nicht.

Nicht nur staatliche Einrichtungen

Das Interesse des deutschen Dienstes beschränkte sich laut Spiegel nicht nur auf staatliche Einrichtungen. Er spähte auch Nichtregierungsorganisationen wie Care International, Oxfam oder das internationale Komitee des Roten Kreuzes in Genf aus. In Deutschland standen zahlreiche ausländische Botschaften und Konsulate auf der BND-eigenen Selektorenliste. So wurden E-Mail-Adressen, Telefon- und Faxnummern von Vertretungen der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Schwedens, Portugals, Griechenlands, Spaniens, Italiens, Österreichs, der Schweiz und selbst des Vatikans überwacht.

"Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht."

Vor drei Wochen war bekannt geworden, dass der BND nicht nur im Auftrag des US-Geheimdienstes NSA europäische Partner ausspioniert, sondern diese auch in eigener Regie abgehört hat.

Im Oktober 2013 hatte Kanzlerin Angela Merkel einen Spähangriff der NSA auf eines ihrer Handys mit den Worten verurteilt: "Ausspähen unter Freunden – das geht gar nicht." Für den BND galt diese Losung offenkundig nicht.

Update 17:00

Das Innenministerium in Wien bezeichnete die Informationen des "Spiegels" am Sonntag als "nicht neu und seit langem öffentlich". Die Vorwürfe seien außerdem bereits Gegenstand des Verfahrens, das bei der Staatsanwaltschaft liege, erklärte Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck gegenüber der APA.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte im Mai nach Berichten, dass der BND dem US-Geheimdienst NSA unter anderem bei der Bespitzelung heimischer Behörden geholfen haben soll, Anzeige "gegen Unbekannt" erstattet. (Markus Sulzbacher/APA, 8.11.2015)