Federico León und Julián Tello bei der Arbeit. In "Las ideas" zeigen die beiden Performer, was alles nötig ist, um ein gutes Stück Gegenwartstheater entstehen zu lassen. Zu sehen noch am 7. 11.


Foto: Ignacio Iasparra

Wien – Zwei Männer bei der Arbeit. Zu ihren Werkzeugen gehören ein Keyboard, ein Ballon und eine Flasche Whisky. In Federico Leóns Performance Las ideas wird vor den Augen des Publikums eine Performance entwickelt. Was dabei der Knaller ist, kann noch bis Samstag im Brut-Theater am Karlsplatz herausgefunden werden.

Der vierzigjährige Argentinier hat seine Zuschauer bereits beim Steirischen Herbst 2013 mit der Massenchoreografie Las Multitudes überwältigt. Und als die Wiener Festwochen im Jahr 2000 einen ganzen Schwung argentinischen Theaters zeigten, war León noch ein Mittzwanziger und doch bereits mit seinem Stück Cachetazo de Campo (deutsch: "Landwatschen") dabei. Jetzt ist Las ideas als Satire auf künstlerische Arbeitsweisen die Einstandsproduktion der neuen Brut-Leiterin Kira Kirsch.

Mit "Satire" ist hier weniger ein Sichlustigmachen über den schöpferischen Vorgang gemeint als vielmehr die liebevoll ironische Darstellung von Aktivitäten, die schließlich zu dem führen, woran man sich dann im Theater abarbeiten kann. Denn León will mit seinem Koperformer Julián Tello wirklich zeigen, was alles das Entstehen eines Stücks Gegenwartstheater befeuert. Welche Gratwanderungen dabei absolviert werden, wie verschiedene Logiken durcheinandertanzen, was für Banalitäten und Abgründe sich auftun können und woraus die Poesie einer bestimmten Arbeitsweise besteht.

Kein Wunder, dass diese Zauberei sozusagen bei Adam und Eva beginnt, also damit, was Repräsentation und was Wirklichkeit bedeutet. Die zwei Werktätigen sitzen an einem Tischtennistisch. Jeder ist mit einem Tastenwerkzeug ausgestattet: León hat einen Computer, dem am Ende Traumhaftes widerfahren wird, Tello ein Keyboard, das diesen verschiedentlich zu Höchstleistungen antreibt. Nach einem kleinen Tischtennismatch zum Aufwärmen wird ein Video auf Youtube hochgeladen. Es zeigt eine Schauspielerin mit Downsyndrom, die eine Schildkröte in eine Krabbe und ein Kaninchen in ein weißes Hündchen verwandelt. Repräsentation eben. Aber tut sie das wirklich, oder spielt sie es auf Anweisung für die Kamera vor?

Was ist echt im Theater? Hier beginnt der Schaffensprozess zu fließen. Eine Livekamera hält ihn fest, ein Projektor beamt das auf eine hochgeklappte Hälfte des Tischtennistischs. Die beiden filmen sich bei der Arbeit und sehen die Aufnahmen an. Der Regisseur raunt begeistert: "Wir haben den Moment gefilmt, in dem wir entdeckten, dass wir alles filmen müssen." Ein Joint wird geraucht, der Rauch in einem Glas gefangen und mit einem Ventilator wieder "befreit".

Welche Folgen es hat, eingeraucht zu werken? Der Tisch frisst seine Ansitzenden. Deren Stimmen diskutieren aus dem Off weiter: Der Joint im Stück wird alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Will man das? Tello schläft ein. Ebenenwechsel: "Die Abwesenheit des Internets verbindet mich jetzt." Themenwechsel: Pornofilme werden aus dem Computer-Papierkorb geholt und liefern Stoff für einen Witz über Zensur. Motivwechsel: León zaubert einen teuren, übergroßen Tennisschläger ans Licht. Der Sinn dieses Objekts bleibt unklar. Wechsel zum Verhältnis zwischen Geld und Realität – und zu einer hinreißenden Szene mit der erwähnten Whiskyflasche.

Offensichtlich ist Las ideas eine Hommage an das künstlerische Arbeiten von heute. An das Spiel mit Trug und Wirklichkeit samt seinen Ab- und Unfällen. Auch wenn ein Privatleben oder ein Ballon darunter echt leiden können. Für León fängt die richtige Wirklichkeit genau da an, wo der "Evidenzterror" (Marcus Steinweg) von vorzensurierten Realitäten ausgetrieben wird. Das Premierenpublikum war begeistert. (Helmut Ploebst, 6.11.2015)