Wolfsburg/Paris/Wien – Eine Prüfung des Umweltbundesamtes ergab, dass der Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) bei Pkw teilweise um fast 50 Prozent höher als im Typenschein eingetragen ist. So liege er etwa beim beliebten VW Golf VII 1,6 TDI um über 40 Prozent über den Angaben der Zulassungsbehörden. Für Werner Tober vom Institut für Fahrzeugantriebe an der TU Wien nicht verwunderlich, denn bei der Testentwicklung war die "Wiedergabe der Realität nicht das Ziel".

Und so wundert es auch nicht, dass die Prüfkriterien keineswegs dem Alltagsfahrverhalten entsprechen. Diese Entwicklung ist laut Günther Lichtbau vom Umweltbundesamt seit dem Jahr 2000 zu beobachten – als die Motorsteuerungen immer gefinkelter wurden. Dadurch war es einfacher, sie auf den realitätsfremden Prüfmodus einzustellen, der eben nur unter Laborbedingungen läuft.

Abweichungen wachsen

Konkret sei die Kluft bis zum Jahr 2013 um 27 Prozent angewachsen. Wird nicht gehandelt, dann erhöhe sich die Differenz zwischen Versprechen und Wirklichkeit bis 2020 auf 48 Prozent. Arbeiterkammer-Expertin Sylivia Leodolter erinnerte in diesem Zusammenhang am Freitag bei einem Symposium der Arbeiterkammer (AK) zu den Abgaswerten daran, dass die Autolobby für Interessenvertretungen in Brüssel jährlich mehr als 18 Millionen Euro ausgeben würde.

Kostspielig dürften auch die Fahrer sein, die für den Testzyklus eingesetzt werden – denn laut Lichtbau bedarf es besonders geschulter Lenker, damit der Pkw überhaupt so langsam fahren kann. Ins Schwitzen darf er dabei nicht kommen, denn um die Werte zu schönen, sind die Klimaanlage abgeschaltet und die Fenster zu.

Die Bürger kommt der Unterschied zwischen Realität und Typenschein jedenfalls sehr teuer zu stehen: Hätten die offiziellen Angaben gestimmt, hätten sich die Steuerzahler rund 39 Millionen Euro an Zahlungen für Emissionszertifikate erspart, so die AK. Rund 17 Prozent der CO2-Emissionen in Österreich entfallen auf Pkws.

Konstanter Realausstoß

Fazit von Leodolter beim heutigen AK-Symposium: "Trotz neuer EU-Abgasnormen hat es bei den realen Diesel-Pkw-Emissionen in den letzten zehn Jahren keinen nennenswerten Rückgang gegeben." Für den Verkehrsclub Österreich (VCÖ) ist das bisher Bekanntgewordene ohnehin nur die "Spitze des Eisberges". "In der Vergangenheit gab es hier ein multiples Kontrollversagen der Zulassungsbehörden in den zuständigen EU-Staaten", so VCÖ-Expertin Ulla Rasmussen. Sie fordert unter anderem unabhängige Zulassungsstellen.

Immerhin hat mittlerweile die EU-Kommission bei den Mitgliedstaaten nach Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten bei Abgasprüfungen angefragt. Bis Ende des Monats sollten die jeweiligen Umwelt- und Wirtschaftsminister etwaige Informationen dieser Art vorlegen, hieß es in einem mit 5. November datierten Schreiben. Der Kommission selbst seien derartige Fälle nicht bekannt, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Frankreich: Überschreitungen um das Fünffache

Tests der französischen Regierung haben indes laut Umweltministerin Segolene Royal die "Mogelei" von Volkswagen beim Schadstoffausstoß bestätigt. "Bei der Überprüfung von zehn Autos aller Marken hat sich bei Volkswagen gezeigt, dass der erlaubte Ausstoß von Stickoxiden um das Fünffache überschritten wurde", sagte Royal am Freitag zum Radiosender France Info.

"Somit haben wir die Bestätigung für die Mogelei." Bei den anderen getesteten Wagen habe es Überschreitungen um den Faktor eineinhalb oder zwei gegeben, sagte Royal. Dies bewege sich im üblichen Rahmen der Abweichungen zwischen Messungen auf dem Prüfstand und Tests unter realistischen Bedingungen. Royal kündigte weitere Untersuchungen bis Ende des Monats an.

Dieselfahrzeuge auf dem Prüfstand

Die französische Regierung hatte Anfang Oktober nach Bekanntwerden des Abgasskandals bei Volkswagen begonnen, Dieselfahrzeuge zu überprüfen. Die Testreihe soll am Ende rund hundert Autos umfassen.

Volkswagen steht wegen manipulierter Abgaswerte seit Wochen stark unter Druck. Im September musste der Konzern zugeben, dass bei rund elf Millionen Dieselfahrzeugen Software eingesetzt wurde, die den Ausstoß von Stickoxiden im Testbetrieb als zu niedrig auswies. Am Dienstag musste das Unternehmen zudem eingestehen, dass bei rund 800.000 Autos der tatsächliche CO2-Ausstoß höher ist als angegeben. (APA, red, 6.11.2015)