"Wie geht das, dass jeder im Unternehmensorchester richtig spielen kann und will? Werte. Und das Wissen um sie, das Leben der Werte", sagt Markenstratege Klaus-Dieter Koch.

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In die Bewerbung der Attraktivität als Arbeitgeber fließt immer mehr Geld. Angesichts alternder Belegschaften, angesichts riesiger Transformationen und der Not, neue Geschäftsfelder zu entwickeln, sind Unternehmen in einen ganz neuen "War for Talents" eingetreten.

Employer-Branding nennt sich, was die Vorzüge des Unternehmens direkt hinein in die Bewerberinnenschar bringen soll und dann wie ein Riesenmagnet die jeweils besten Talente herausziehen soll. Und so ist auch eine neue Wertschöpfungskette für Berater, Vermittler und Gestalter von Employer-Branding gewachsen.

Meist Oberflächenmanagement, sagt Markenstratege Klaus-Dieter Koch (BrandTrust) bei einem Abend des bfi Wien zum Thema. Er nimmt das Beispiel des Eisbergs: Das sichtbare Zehntel über Wasser werde bewundert, gekauft und ziehe an, wenn die Marke begehrlich ist. Nur: "Herumdoktern" in diesem Zehntel ist nicht ein Bauen an der Attraktivität – da müsse man schon (um im Bild zu bleiben) tiefer unter Wasser gehen.

Bekanntheit ist es nicht

Die gute Nachricht für alle, die keine Megaetats in die Welt schmeißen können und wollen: Geld entscheidet nicht über die Arbeitgeberattraktivität, es seien die Werte. Es ist die Kunst, den "Abstand zwischen Versprechen und Leistung möglichst klein zu halten". Basis all dessen: Spitzenleistung im Unternehmen. Marke sei ja verdichtete Spitzenleistung, sagt Koch. Bekanntheit verhelfe nicht zum Sieg im Kampf um Talente. Zudem sei sie meist sehr teuer zu kaufen. "Richtige Mitarbeiter anzuziehen, das geht nur über Werte".

Dabei, so seine Beobachtung, sei allerdings große Verwechselbarkeit am Markt zu beobachten: Welche Firma bezeichnet sich nicht als dynamisch, wachstumsorientiert usw., usf. "Sparen Sie sich dieses Blabla", ruft Koch und provoziert mit Gegenbeispielen: Warum lese er nie "Wir sind auf Attacke programmiert. Wir hauen alle aus dem Weg. Wer Attacke reiten will, der kommt zu uns". Oder "Schaut her, das ist unser Chef, der alte Typ. Werden Sie sein Nachfolger, und machen Sie's besser". Durchaus alles recht aggressiv und höchst wettbewerbsorientiert. Jedenfalls, so Koch: "Zeigen Sie Ecken und Kanten. Das wird von Talent gesucht, das zieht Talent an."

Plus die Frage: Warum gibt es so wenig gefilmte Stellenanzeigen? Sie seien das Mittel der Wahl zur Ansprache im Bewerbermarkt. So könne für die vielgesuchte Distinktion, für die Unterscheidung vom Mitbewerber, gesorgt werden.

Orchester dirigieren

Schön und gut, meint das Publikum und wirft die Frage nach dem digitalen Marketing ein. "Machtverlust und Kontrollverlust", konzediert Koch. Gerade deswegen sei es so notwendig, bei den Werten anzusetzen: Mitarbeiter, die an den digitalen Kanälen sitzen, könnten nur über gelebte Werte zu Markenbotschaftern gemacht werden. Es gehe einfach immer um den Werte-Fit, also das Zusammenpassen der Werte zwischen Unternehmen und Belegschaftsmitgliedern. An jedem Kontaktpunkt, innen wie außen.

Dann bringt Koch das berühmte Beispiel der Erfolgslogistiker Fedex und ihres Versprechens der Overnight-Delivery: Einem Kunden wurde der Flachbildschirm vom Zusteller über den Zaun geworfen – die Sicherheitskamera am Tor hat es gefilmt, und der unzufriedene Kunde mit seinem kaputten Schirm sorgte für Millionenaufrufe auf Youtube.

Das bringt zur Frage: Wie soll das gehen, einen Werte-Fit sicherzustellen? Koch fragt: "Was tun Sie mit einem Mitarbeiter, der tolle Leistungen bringt, seine Märkte im Griff hat, Umsatzkaiser ist. Seine Mitarbeiter hassen ihn, aber sie spuren. Er bringt Leistung, ist aber ein A. Was tun sie mit dem?" Und er gibt sich selbst die Antwort: "Sie üben sich in Zen-artiger Toleranz. Vielleicht kleben Sie ihm einen Coach an die Backe. Der geht auch hin. Aber bleibt der A."

Ganz falsche Strategie sagt Koch und ruft Jack Welsh zu Hilfe: "Schmeißen Sie solche Typen einfach raus!".

Geht nicht wegen der Zahlen? Geht, sagt Koch und postuliert: Damit jeder im Orchester richtig spielen will und kann, braucht es die Passung der Werte. Darauf sei zu achten, vom ersten Recruitinggespräch an. Alles andere sei zu entwickeln. Werte ließen sich niemals entwickeln, ist er überzeugt und plädiert erneut für die Verabschiedung solcher Herren und Damen A.s.

Marke schlägt Geld

Und noch mal: Geld entscheide überhaupt nicht, ob man als Arbeitgeber attraktiv sei. Sein Beispiel: Red Bull. Dort würde nicht exorbitant bezahlt – "und die können sich vor Bewerbungen kaum retten".

Es gelte die Attraktivitätstreiber zu identifizieren und für deren Wahrnehmung innen und außen zu sorgen. Das beginne natürlich in der bestehenden Belegschaft. Sehr viele Mitarbeiter hätten keine Ahnung, wie die verdichtete Spitzenleistung in ihrem Unternehmen aussieht – vor allem im Außendienst kriegten die Leute kaum noch etwas mit – außer mangelnde Wertschätzung, indem die Kunden sagten: "zu teuer".

Das sei ein Mangel an Wertschätzung. Wie reagieren Unternehmen darauf? "Sie senken die Preise". Und wie reagieren Unternehmen, wenn sie die Leute, die sie brauchen, nicht kriegen? "Sie erhöhen die Gehälter." Alles keine guten Strategien, sagt Koch: "Sorgen Sie dafür, dass wahrgenommen wird, was Sie tun und können, dann haben Sie diese Probleme nicht mehr."

Die Spitze gegen den Mitbewerb im Employer-Branding-Geschäft muss auch noch sein: Unternehmen sollten sich bloß keine eigene Employer-Brand "aufschwatzen" lassen. Marken müssten immer eindeutig sein – egal ob für Kunden oder (neue) Mitarbeiter. (Karin Bauer, 7.11.2015)