Informationsblatt für Asylwerber, für die kein Quartier zur Verfügung steht.

Innsbruck – Immer mehr Flüchtlinge würden nach Stellung ihres Asylantrags auf der Straße landen, kritisieren die Vertreter sämtlicher Hilfsorganisationen Tirols. Ihren Schätzungen zufolge werden derzeit zwischen 50 und 60 Menschen pro Woche von den Behörden nicht mehr an ein Quartier vermittelt und damit sich selbst überlassen.

Die Diakonie, das Projekt Fluchtpunkt, die Plattform Rechtsberatung, das Tiroler Integrationsforum und der Verein für Obdachlose fordern Bund und Land deshalb auf, Notfallpläne für die Wintermonate bekanntzugeben. "Es sind scheinbar alle Schlafplätze vergeben, und die Polizei ging dazu über, die asylsuchenden Menschen zwar zu registrieren, dann aber wegzuschicken", sagt Michael Kerber, Leiter der Rechtsberatung des Flüchtlingsdienstes der Tiroler Diakonie.

Menschen "krank und ausgelaugt"

Derzeit könnten die meisten Betroffenen noch durch private Initiativen untergebracht werden – zumindest jene, die den Weg zu einer Hilfsorganisation finden, um vermittelt zu werden. Dauerhafte Lösung sei das aber keine. Hinzu kommt: In den Organisationen wird mit einer Verschärfung der Situation in den kommenden Monaten gerechnet, da zahlreiche Menschen, die derzeit in Zelten schlafen, in winterfeste Quartiere übersiedeln werden.

"Mit der Obdachlosigkeit geht einher, dass jene Menschen, die krank und von der Flucht vollkommen ausgelaugt sind, keine Krankenversicherung haben. Das ist in Österreich nicht tragbar", sagt Kerber. "Der Bund ist gesetzlich dafür verantwortlich, nach Asylantragstellung eine Unterkunft und medizinische Versorgung sicherzustellen."

"Obdachlosigkeit mit System"

Die Vertreter der Flüchtlingsorganisationen sind vor allem verärgert, dass sich Bund und Land gegenseitig die Verantwortung zuschieben und sich schlussendlich niemand zuständig fühle. Dadurch würde nun von öffentlicher Hand Obdachlosigkeit produziert – "mit System".

Das Kernproblem ist der bundesweite Aufnahmestopp in den Verteilerzentren des Bundes – den die Länder für das Chaos verantwortlich machen. Das Innenministerium argumentiert wiederum, dass die Verteilerzentren nicht voll wären, würden die Länder genügend Quartiere schaffen und ihre Quoten erfüllen. "Für die Betroffenen ist es nicht ausschlaggebend, wer die Versorgung bereitstellt, sondern dass es passiert", sagt Kerber.

"Riskieren Leben"

Dringend müssten winterfeste, bedürfnisgerechte Wohnmöglichkeiten geschaffen und professionelle Betreuung bereitgestellt werden. "Die in Verantwortung stehenden Behörden müssen einen klaren, organisierten Plan entwickeln, die bestehende Notlage unverzüglich zu beseitigen – sonst gefährden sie am Ende die Gesundheit und unter winterlichen Verhältnissen auch das Leben von Menschen auf der Flucht", sagt Nora Ultsch von Fluchtpunkt. (Katharina Mittelstaedt, 6.11.2015)