Wien/Spielfeld – Die Regierung scheint durch die Flüchtlingskrise selbst immer tiefer in die Krise zu schlittern. Anstelle eines gemeinsamen Konzeptes arbeiten Verteidigungs- und Innenministerium an unterschiedlichen Plänen zu Verbesserung der Situation am Grenzübergang in Spielfeld. Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) präsentierte Donnerstagnachmittag "Alternativen" zu dem von der ÖVP gewünschten Grenzzaun.

Einen Tag vor der Präsentation der Pläne von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) lud Klug zu einem Pressegespräch gemeinsam mit Generalstabschef Othmar Commenda und Karl Schmidseder, Chef der Sektion Einsatz. Dort sprach er sich einmal mehr gegen einen Zaun aus. Alternativ schlage das Verteidigungsministerium vor, die Wartezone in Spielfeld "aufzuwerten" und die Zu- und Ausgänge zu vergrößern, um Gedränge und Massenpanik zu vermeiden. Allzu große Änderungen zum Ist-Zustand sieht das Konzept allerdings nicht vor.

Einerseits soll der "Trichter" am Grenzübergang vergrößert und anderseits die Wartezone durch zusätzliche Zelte und Container "aufgewertet" werden. Die Flüchtlinge sollen sich dort ausruhen, mit Essen und warmer Kleidung versorgen können, sagte Schmidseder. Zentraler Punkt sei jedoch die "planbare Weiterreise". Man müsse weg von den tausenden Menschen, "die frustriert in der Kälte warten", sagte Klug. Am Grenzübergang in Spielfeld müsse sich "etwas ändern". Man habe gesehen, dass dieser nicht geeignet sei, tausende Menschen zu betreuen und geordnet und sicher weiter zu transportieren. Man habe versucht, die bestehenden Mängel durch Personal zu kompensieren – das Bundesheer sei mit 900 und die Polizei mit 200 Personen vor Ort. Das sei mehr als in Nickelsdorf, "trotzdem hat es nicht gut funktioniert", so der Minister. Es könne zu Situationen kommen, die für die Flüchtlinge und für die Einsatzkräfte gefährlich sein können. "Wir brauchen dringend eine Verbesserung."

Klug: "Substratlose Symbolpolitik"

Im Gegensatz zur Innenministerin ist Klug allerdings nicht der Meinung, dass es dazu einen kilometerlangen Zaun braucht. "Ich halte das Aufstellen eines Zauns für Symbolpolitik ohne reales Substrat. Ein Zaun wird nicht halten, was sich viele davon versprechen. Es wird deswegen kein einziger Flüchtling weniger kommen", sagte Klug. Wenn man den Zustrom bremsen wolle, dann müsse man das an der EU-Außengrenze machen. An der österreichischen Grenze sei ein Zaun "nicht sinnvoll", da es "gute Alternativen" gebe. Neben der Verbesserung der örtlichen Begebenheiten sprach sich Klug auch für die Öffnung weiter Grenzübergänge aus. Das müsste aber mit Slowenien abgesprochen werden. Eine Registrierung der tausenden Menschen, die täglich nach Österreich kommen, scheint in dem Konzept zur Verbesserung der Lage nicht vorgesehen zu sein. Schmidseder verwies auf die Zuständigkeit des Innenressorts, fügte aber noch hinzu: "Wo sollten sie registriert werden?"

Gefragt, warum die Regierung bei dieser wichtigen Frage nicht gemeinsam vorgehe, meinte Klug, dass er nicht bereit sei, den Vorschlag für einen Grenzzaun unwidersprochen im Raum stehen zu lassen. Das Innenministerium habe vom Ministerrat den klaren Auftrag bekommen, einen sicheren Ablauf in Spielfeld zu gewährleisten. Er zeige die Alternativen zu einem Zaun auf, "die zweckmäßig sind und Zeit und Geld sparen". Dabei handle es sich aber um "Akut- und Sofortmaßnahmen". Um die Flüchtlingsstrom zu bremsen, müsse es zu einer Sicherung der EU-Außengrenze und zu stabilen Verhältnissen in den Krisenregionen kommen. Klug sprach "von der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg". Commenda meinte auf Nachfrage, dass der Migrantenzustrom "militärisch gesehen keine Krise ist". "Wenn das schon eine Krise wäre, würde ich nicht mehr gut schlafen."

Commenda und Schmidseder betonten beide, dass die Zusammenarbeit zwischen Innen- und Verteidigungsministerium auf Beamtenebene gut funktioniere. (APA, 5.11.2015)