Mit seinem jüngsten Eingeständnis, auch bei CO2-Emissionswerten geschwindelt zu haben, scheint der Volkswagen-Konzern einen weiteren Schritt in Richtung Untergang getan zu haben. So sieht es zumindest die Börse, die VW-Aktien noch tiefer in den Keller getrieben hat. Tatsächlich scheint VW zu glauben, dass die frisierten Zahlen beim Spritverbrauch, von dem der Treibhausgasausstoß abhängt, noch viel höhere Kosten pro Fahrzeug verursachen werden als die geschönten Stickoxid-Emissionen, die oft mit einem Software-Update korrigiert werden können. Dazu kommt, dass erstmals auch Benziner betroffen sind. Die Schleusen für neue Milliardenstrafen sind weit geöffnet.

Aber der Schein trügt vielleicht. VW folgt derzeit dem Drehbuch von gutem Konzernkrisenmanagement: Wenn du einmal erwischt wurdest, dann finde alles heraus und lege es offen. Je lauter das "mea culpa" in dieser Phase, desto größer die Chance auf eine spätere Rehabilitierung.

Dennoch könnte den neuen VW-Chef Matthias Müller schon der Umstand zu Fall bringen, dass laut US-Umweltbehörde auch bei einem Porsche-Modell der Schadstoffausstoß höher war als erlaubt. Die Zahl der betroffenen Diesel-SUVs dürfte zwar gering sein, aber Müllers Glaubwürdigkeit als Saubermann in der Abgasaffäre wäre zerstört, wenn sich der Vorwurf erhärtet. Früher oder später muss wohl ein Außenstehender, der nicht zur Clique rund um Ferdinand Piëch zählt, das Ruder bei VW übernehmen, damit der Konzern seine schmutzige Vergangenheit hinter sich lassen kann.

Wie schlimm sind die Probleme beim CO2-Ausstoß nun wirklich? Details sind keine bekannt, aber auf eines muss man sich einstellen: Was VW bei den betroffenen 800.000 Autos getan hat, das nun diese peinliche Mitteilung notwendig gemacht hat, könnte auch für andere Autohersteller gelten. Jeder Autokäufer weiß, dass die ausgewiesenen Verbrauchswerte im Fahralltag nie erreicht werden. Dafür müssen die Konzerne gar nicht schwindeln, sondern sich bloß an die allzu laschen Vorgaben der Prüfstellen halten. Möglich ist, dass VW hier die Debatte weg vom Konzern hin zu den Problemen in der gesamten Branche führen will. Mit der Überprüfung aller VW-Modelle, die der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt nun ankündigt, wird es daher nicht getan sein.

Der VW-Abgasskandal ist nämlich auch eine Folge der Verlogenheit der europäischen Umwelt- und Klimapolitik: Um das eigene grüne Image zu pflegen, verkündet die Politik höchst ehrgeizige Ziele zur Eindämmung der Belastung mit Treibhausgasen und Schadstoffen und kümmert sich dann kaum darum, ob diese tatsächlich erfüllt werden. Denn eine konsequente Umsetzung würde nicht nur die betroffenen Industrien, sondern auch die Verbraucher viel kosten. Der Schritt vom legal geschönten Abgas- und Verbrauchstest zur Schummelsoftware ist dann nicht mehr sehr groß.

Nicht nur VW ist nun gefordert. Auch die Behörden in der EU und den USA müssen endlich sicherstellen, dass alle Abgas- und Verbrauchswerte unter realen Bedingungen eingehalten werden – und wenn das nicht möglich ist, müssen die Gesetzgeber ihre Ziele anpassen und dafür öffentlich geradestehen. Der Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz mag noch so schwierig sein, er muss mit ehrlichen Mitteln gemeistert werden. Sonst wird der gesamte Klimaschutz zur Mogelpackung. (Eric Frey, 4.11.2015)