In den Weltmeeren treiben Tonnen an alten Fischernetzen. Eine Firma recycelt nun das Plastik.

Malte E. Kollenberg

Die Fischernetze werden gesammelt, eingeschmolzen und zu neuen Nylonfäden gesponnen. Daraus entstehen schließlich Teppichböden.

Malte E. Kollenberg

Auf einem kleinen hölzernen Fischerboot vor der Küste der Insel Bohol, rund 1000 Kilometer entfernt von der philippinischen Hauptstadt Manila, drängen sich fünf Männer. Wie Piraten sehen die Tintenfischfänger aus. Doch die Vermummung mit Strumpfmasken ist nur die philippinische Variante des Sonnenschutzes.

Plötzlich gleiten alle bis auf einen ins Wasser und breiten das mitgebrachte Netz aus. Das Boot dreht zwei Runden und sammelt die Schwimmer wieder ein. Dann wird das Netz eingeholt. Der Fangerfolg: ein Tintenfisch.

"Für ein gutes Kilo müssen wir das Netz 15-mal ins Wasser lassen", sagt Tereso Garcia. Er erinnert sich daran, dass das Fischen vor 20 Jahren noch weit ertragreicher war. Doch irgendwann wurde der Fisch knapp und der Beifang mehr Plastikabfall. "Oft ist es darauf hinausgelaufen, dass wir Seetang gesammelt haben, wenn keine Fische ins Netz gegangen sind. Einfach um die Familie ernähren zu können", sagt Garcia.

Spitze des Plastikbergs

Rund zehn Prozent des Plastikabfalls in den Weltmeeren sind alte Fischernetze aus Nylon. Eine enorme Ressource, die wiederverwendet werden kann. Experten gehen von insgesamt mehreren Millionen Tonnen Plastikabfall im Meer aus. Das ist ein riesiges Umweltproblem in einem Land wie den Philippinen, dessen Staatsgebiet aus mehr als 7000 Inseln besteht. Nach China und Indonesien verschmutzt die Inselnation die Weltmeere am meisten.

An den Stränden türmen sich Berge von alten Verpackungen, verheddert in Nylonfäden und Resten von angespülten Fischernetzen. Was oben sichtbar ist, ist nur die Spitze des Plastikbergs. Denn unter der Meeresoberfläche treiben nahezu unsichtbar Geisternetze umher, in denen Meerestiere verenden. Doch mittlerweile sind die Plastiknetze zum Zusatzeinkommen für die Region geworden. An Tagen, an denen kein Fisch ins Netz geht, hieven die Fischer alte, kaputte Netze aus dem Wasser.

Net-Works, so der Name des Projekts, bezahlt Fischer dafür, dass sie die Arbeit machen. Die Netze werden gesammelt, in Ballen verpackt und verschifft. In Slowenien werden sie dann eingeschmolzen und zu neuen Nylonfäden gesponnen, die zu Teppichböden verarbeitet werden.

Kein Grund zur Besorgnis

Amado Blanco arbeitete sein halbes Leben für Umweltorganisationen. Jetzt vertritt er Net-Works auf den Philippinen. Für die Zukunft sieht er keinen Grund zur Besorgnis, dass die Netze knapp werden könnten. "Solange es Krabben gibt, wird es auch ausrangierte Fischernetze geben", sagt Blanco. Ein Krabbennetz hat eine Lebensdauer von maximal drei Monaten. Dann haben die Scheren das Netz so stark beschädigt, dass es ersetzt werden muss.

Hinter Net-Works steht ein Unternehmen mit ökonomischen Interessen. Interface ist der nach eigenen Aussagen weltweit größte Anbieter von zusammensetzbaren Teppichteilen, sogenannten Teppichfliesen, die nun aus alten Netzen hergestellt werden.

Erst der Anfang

Der kreative Kopf hinter den Teppichfliesen aus Nylonabfall ist Vizepräsident Nigel Stansfiel. Für ihn und Amado Blanco ist das Projekt erst der Anfang. Ziel sei es, weltweit so viele Netze sammeln zu können, dass die Produkte, die Interface herstellt, zu 100 Prozent aus wiederverwertetem Plastik aus dem Meer hergestellt werden. In Kamerun haben sie ein ähnliches Projekt gestartet, und für weitere Teile der Philippinen und Südostasiens gibt es Pläne.

Für Fischer Tereso Garcia und seine Kollegen in Bohol ist das Projekt bereits ein Riesenerfolg. "Je nachdem, wie viele Netze wir sammeln, können wir bis zu 200 Pesos verdienen", sagt Garcia. 200 Pesos entsprechen rund vier Euro. Ein gutes Zusatzeinkommen in einem Land, in dem rund 30 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem Dollar am Tag leben. (Malte E. Kollenberg aus Manila, 5.11.2015)