Darmstadt/Passau – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor militärischen Auseinandersetzungen gewarnt, wenn Deutschland die Grenze zu Österreich für Flüchtlinge schließen sollte. Mit Blick auf die Erfahrungen mit dem ungarischen Zaunbau an der Grenze zu Serbien sagte Merkel am Montagabend auf einer CDU-Veranstaltung in Darmstadt: "Es wird zu Verwerfungen kommen."

Es gebe heute auf dem westlichen Balkan zum Teil schon wieder solche Spannungen, dass sie jüngst um eine Konferenz zur Balkanroute gebeten habe. "Denn ich will nicht, dass dort wieder (...) militärische Auseinandersetzungen notwendig werden", sagte sie. Sie wolle nicht schwarzmalen. Aber es gehe schneller als man denke, dass aus Streit Handgreiflichkeiten und daraus dann Entwicklungen würden, die niemand wolle.

Spannungen am Balkan

Wegen des hohen Flüchtlingszustroms über die Balkanroute war es zu erheblichen Spannungen zwischen Balkanstaaten gekommen. Sollte Deutschland die Grenze für Flüchtlinge schließen, würden auch andere Länder auf der Route dies tun, warnen Experten.

Der ungarische Zaun habe dazu geführt, dass die Menschen dann über Kroatien, Slowenien oder Rumänien weiterstrebten, sagte Merkel. Nach dem Bau eines Zauns an der deutsch-österreichischen Grenze würden die Flüchtlinge versuchen, über andere Länder nach Deutschland zu gelangen. Es sei Aufgabe der Bundesrepublik als großem EU-Staat, eine andere, solidarische Lösung in der Flüchtlingskrise in Europa durchzusetzen. Diese gehe nur Schritt für Schritt. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass man das hinbekommen kann", sagte Merkel.

Seehofer besteht auf Transitzonen

Im Streit über Maßnahmen zur Begrenzung der Flüchtlingsströme pocht CSU-Chef Horst Seehofer indes auf eine Einigung mit der SPD über Transitzonen bei der Spitzenrunde am Donnerstag. "Es muss der Anspruch an uns selbst sein, dass wir eine Verständigung finden", sagte der bayerische Ministerpräsident am Dienstag in Berlin. SPD-Chef Sigmar Gabriel und die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) stemmten sich erneut gegen das Konzept. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) appellierte an die große Koalition, rasch zu einer gemeinsamen Linie zu finden.

Am Sonntag war es Merkel, Seehofer und Vizekanzler Gabriel nicht gelungen, eine Verständigung über neue Maßnahmen und insbesondere ein neues Registrierungsverfahren für Flüchtlinge zu erzielen. Sie wollen nun am Donnerstag einen weiteren Versuch starten.

2.500 warten auf Einreise

Die Zahl der nach Bayern kommenden Flüchtlinge ist indessen auch in der Nacht auf Dienstag hoch gewesen. In der Früh warteten an den niederbayerischen Grenzübergängen auf österreichischer Seite bei Wegscheid 1.389 Menschen auf ihre Einreise, bei Simbach waren es 400 und bei Neuhaus am Inn 763 Menschen. "Von einer entspannten Lage kann nicht die Rede sein", sagte Bernd Jäckel, Sprecher der deutschen Bundespolizeiinspektion Freyung.

Der am Montag eingeführte Bus-Shuttle von Schärding in Oberösterreich nach Neuhaus am Inn (Landkreis Passau) war am Dienstagmorgen zunächst nicht im Einsatz, weil der Pendelbus einen Defekt hatte. Insgesamt hätten am Montag 5.800 Flüchtlinge die Grenze zu Niederbayern überquert – viele von ihnen laut deutscher Bundespolizei kurz vor Mitternacht. An den beiden Tagen zuvor kamen jeweils etwa 4.500 Menschen.

Busse statt zu Fuß

Seit Montag in der Früh müssen die Flüchtlinge am Grenzübergang von Schärding nach Neuhaus nicht mehr auf der alten Innbrücke warten, ehe es zu Fuß zur Sammelstelle weitergeht. Stattdessen werden sie mit Bussen direkt zu den Zelten auf deutscher Seite gebracht. Dies soll verhindern, dass die Menschen stundenlang bei Kälte auf ihre Einreise warten müssen. In der Nacht auf Dienstag hatte es in der Region Minusgrade. Etwa 50 Asylsuchende sollen stündlich aus dem österreichischen Grenzort zur Sammelstelle gebracht. "Das geht reibungslos", sagte Jäckel über das neue System.

Dortmund: Flüchtlinge auf Ausflugsschiffen untergebracht

In Deutschland sind die ersten Flüchtlinge auf Fluss-Kreuzfahrtschiffen untergebracht worden. Nach Angaben der Stadt Dortmund wechselten am Dienstag 16 Menschen aus städtischen Noteinrichtungen auf die schwimmenden Unterkünfte im Dortmund-Ems-Kanal.

Es soll noch Tage dauern, bis die beiden gecharterten Schiffe voll belegt sind. Die "Diana" und die "Solaris" können zusammen 180 Menschen aufnehmen. "Die Betroffenen werden vorher gefragt, ob sie auf ein Schiff wollen", sagte eine Stadtsprecherin. Viele Menschen seien traumatisiert, wenn sie mit einem Boot über das Mittelmeer gekommen seien.

Aufgenommen würden Erwachsene und Familien mit Kindern, die mindestens 15 Jahre alt sein müssen. Dortmund hat die schwimmenden Flüchtlingsunterkünfte, die von der Caritas betrieben werden, zunächst für zwei Jahre von niederländischen Reedern gemietet. (APA, Reuters, 3.11.2015)