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Große Summen, große Löcher: Den Staaten entgeht viel Geld.

APA/Fohringer

Wien – Apple, Starbucks und Fiat, Uli Hoeneß, Alice Schwarzer und Fußballidol Messi. Wenn Konzerne und Prominente mit dem Steuergesetz in Konflikt geraten, ist ihnen Aufmerksamkeit sicher. Weitgehend unbeleuchtet sind hingegen die gesellschaftlichen Kosten legaler und illegaler Steuertricks. Laut EU-Kommission entgehen den Mitgliedsstaaten durch Hinterziehung und Umgehung von Steuerpflichten jährlich eine Billion Euro. Das sind rund 2000 Euro pro EU-Bürger, oder 7,1 Prozent des EU-weiten Bruttoinlandsprodukts. Damit könnten alle Budgetdefizite der Mitgliedsstaaten beglichen werden – und das gleich zweimal.

Dreistellige Milliardenbeträge

Diese Gesamtschau enthält einerseits Steuerverluste basierend auf der Verschiebung von Privatvermögen, andererseits den Schaden durch die Steuervermeidungsmaßnahmen international tätiger Unternehmen. Letzteren schätzt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf 100 bis 240 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das entspricht bis zu einem Zehntel der globalen Einnahmen durch Körperschaftssteuern.

Einen anderen Quantifizierungsversuch startete das Tax Justice Network (TJN), das regelmäßig auch den Schattenfinanzindex herausgibt. In einem Bericht aus 2012 widmete sich James Henry, der frühere Chefökonom der Beratungskanzlei McKinsey, den weltweiten nicht versteuerten Finanzvermögen, die in Steueroasen bunkern. Er spricht dabei von "einem ökonomischen Äquivalent zu einem schwarzen Loch".

"Konservativ" nennt er seine Schätzung, wonach im Jahr 2010 bis zu 32 Billionen Dollar (nach heutigem Umrechnungskurs: rund 29 Billionen Euro) in Steueroasen gebunkert waren. Dieses Finanzvermögen (Sachvermögen wie Immobilien gar nicht eingerechnet) entspricht dem Doppelten der EU-Wirtschaftsleistung. Den Staaten entgingen demnach allein in diesem Jahr Einkommensteuern in Höhe von bis zu 280 Milliarden Dollar.

Methodische Unterschiede

Für Aufsehen sorgte auch der französische Ökonom Gabriel Zucman mit seiner Schätzung, wonach etwa acht Prozent des weltweiten Finanzvermögens in Steueroasen versteckt sind – etwa sieben Billionen Euro. Mehr als ein Drittel davon stammt aus Europa. Bei ihm sind es 75 Milliarden Dollar, die den europäischen Steuerbehörden entgingen.

Die deutlich geringeren Zahlen bei Zucman im Vergleich zum TJN erklären sich so: Ersterer misst ausschließlich Auslandsvermögen, die der Steuerhinterziehung zuzurechnen sind. In den Berechnungen von Henry sind auch legale Auslandsguthaben enthalten. Überhaupt sind methodische Unterschiede neben der schwierigen Nachvollziehbarkeit der Finanzströme das größte Problem bei der Schadensaufnahme. Was alle Studien belegen: Unter dem Strich steht ein sattes Minus mit enormen Folgen für Steuerlastverteilung und Budgettreue. (Simon Moser, 3.11.2015)