Für Demokratie und Überblick: "Contre-pouvoirs".


Foto: Viennale

In Algerien steht 2014 im Wahlkampf um die Präsidentschaft einmal mehr die Demokratie auf dem Spiel. Für die Journalisten und Blattmacher bei der algerischen Tageszeitung El Watan bedeutet das: Sie sind besonders gefragt als eine öffentliche "Gegenmacht", wie Malik Bensmaïl das in seinem jüngsten Dokumentarfilm Contre-pouvoirs (Checks and Balances) hervorhebt.

Bensmaïl, der 2009 mit La Chine est encore loin bei der Viennale war, hat sich dieses Mal in der Redaktion von El Watan "embedded". Die Zeitung publiziert auf Französisch, die Belegschaft ist gemischt, wenngleich eindeutig säkular, selbst der Kollege, der die muslimischen Gebetszeiten einhält, macht da keine Ausnahme. Frauen sind selbstverständlich Teil des Betriebs.

Jeder Journalist kennt diese typische Szene, in der man an einem Artikel sitzt, während Kollegen in aller Ausführlichkeit ein Thema diskutieren. "Ruf doch Marx an, er soll dir das erklären", so ziehen die Newsroom-Profis einander auf. Bensmaïl ist überall dabei, bei den Konferenzen, beim Redigieren, beim Recherchieren vor Ort ("Du kennst ja nur Algiers", provoziert einer einmal den Kollegen), bei den Besichtigungen des beeindruckenden neuen Redaktionsgebäudes, an dem allerdings seit 2001 (!) gebaut wird.

Der Emir von Katar und der US-Außenminister John Kerry kommen zur selben Zeit nach Algerien. Was mag sich daraus ergeben? Einen Text über "Scheckbuch-Diplomatie" kann man auf jeden Fall schreiben. Der Sänger Cheb Khaled lebt in Marokko, unterstützt aber den ungeliebten alten Präsidenten Bouteflika – da kann man einen Artikel über "dislikes" auf Youtube schreiben.

Bensmaïl zeigt eine Gruppe von engagierten Medienleuten, die sich über die Begrenztheit ihrer "Gegenmacht" wenig Illusionen machen. Ihre Waffe ist das Wort oder das Wortspiel, wie am Wahlabend deutlich wird. Bouteflika gewinnt "dans un fauteuil", so lautet die Schlagzeile – ein hintersinniger Verweis auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, denen zum Trotz ihm die Wähler angeblich eine bequeme Mehrheit verschafft haben.

Einer der Stars von El Watan hat John Wayne auf seinem Desktop. "Print the legend", hieß es in The Man Who Shot Liberty Valance. Malik Bensmaïl und die Leute von El Watan machen das Gegenteil: (selbst-)kritischen Journalismus. (Bert Rebhandl, 2.11.2015)