"Gemeinsam für ein starkes Kroatien", so das Motto der konservativen HDZ, die auf Heimatliebe, Veteranen- und Tuđman-Kult setzt.

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Zagreb – Es wird knapp, das besagen alle Umfragen. Kommenden Sonntag wählen die Kroaten ein neues Parlament, und die regierende Mitte-links-Koalition, die diesmal unter dem Namen "Kroatien wächst" antritt und von den Sozialdemokraten angeführt wird, liegt etwa gleichauf mit der oppositionellen konservativen HDZ unter der Führung von Tomislav Karamarko.

Der kroatische Politologe Dejan Jović konstatiert einen hohen Grad an ideologischer Polarisierung im Land. Und dabei geht es lange nicht nur um die Flüchtlinge, die seit Mitte September durch das mitteleuropäische Land reisen. "Solange sie nicht in Kroatien bleiben, ist das für die meisten Leute okay", sagt Jović.

Premierminister Zoran Milanović versuchte in den vergangenen Wochen unermüdlich, rechte Wähler zu gewinnen, indem er gegen Serbien ätzte ("Ein Adler jagt doch keine Fliegen") und linke Wähler, indem er rhetorisch Ungarn attackierte ("Blinddarm Europas").

Ungelöster Grenzstreit

Die Bevölkerung wird vor allem ihr Urteil danach fällen, ob er in der Lage ist, die Krise zu managen. Die Kritik von Slowenien an der mangelnden Kooperation mit Kroatien dürfte ihm dabei nicht schaden.

Denn in Kroatien gibt es nicht nur antiserbische Ressentiments, sondern auch antislowenische. Dies hat vor allem mit dem seit mittlerweile Jahrzehnten ungelösten Grenzstreit in der Bucht von Piran zu tun. "Kroatien ist zudem seit dem EU-Beitritt 2013 viel selbstbewusster", so Jović. "Die Regierung sagt jetzt Dinge, die man sich vorher nicht getraut hätte auszusprechen."

In der Frage der Flüchtlinge gibt es Unterschiede zwischen den beiden großen Parteien. Die HDZ, allen voran die erst seit Mitte Februar amtierende Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović, ist dafür, Militär an die Grenze zu schicken. Die SDP will das nicht. Und Milanović hat zwar einen Zaun nicht ausgeschlossen, ist aber eher vorsichtig bei dem Thema.

Veteranen mobilisieren

Der Hauptgrund dürfte wohl eher ein praktischer sein: Selbst wenn man die Grenze zu Serbien schließen würde, was sehr negative Auswirkungen für Serbien haben würde, könnten die Flüchtlinge dann nach Bosnien-Herzegowina ausweichen und von dort wieder zurück nach Kroatien gehen. Die Grenze zwischen diesen beiden Staaten ist 932 Kilometer lang und nur sehr schwer zu schützen.

Abgesehen davon gibt es an der Küste eine Stelle bei Neum, wo Bosnien-Herzegowina Kroatien quasi unterbricht. Eine Grenzschließung ist hier praktisch unmöglich.

Die HDZ versucht bereits seit Monaten die Veteranen zu mobilisieren, die mit Protestcamps für mehr Sozialleistungen vor dem Verteidigungsministerium demonstrieren. Die Veteranen sind die nationale Vorhut all jener, die gegen kyrillische Amtstafeln in Vukovar sind – also gegen Minderheitenrechte für Serben – und die dafür eintreten, dass das Erbe des Kriegspräsidenten Franjo Tuđman in die Verfassung geschrieben wird, was auch immer das bedeuten mag. Die Polarisierung in Kroatien hat vor allem damit zu tun, dass die beiden großen Lager nach wie vor die meisten Stimmen kontrollieren. "Das Wahlsystem erlaubt es, dass trotz geringer Stimmenunterschiede die Gewinner etwa zehn Mandate mehr im Parlament bekommen", so Jović. Das Parlament, genannt Sabor, hat 151 Sitze.

Entscheidend dürfte angesichts der Polarisierung sein, wer mit einer der großen Parteien koalieren wird. Eine gewichtige Rolle könnte "Most" (Brücke) zukommen. Die bankenkritische Partei liegt den Umfragen zufolge auf Platz drei.

Unterstützt wird die Partei vom früheren Dekan der Wirtschaftsfakultät in Zagreb Ivan Lovrinović. Bei den Lokalwahlen konnte Most 2013 in Metković gewinnen. Parteichef Bozo Petrov ist dort Bürgermeister. Most wird aber nicht in allen Wahlkreisen ankommen. Genauso wenig wie die extrem rechte Partei HDSSB des Kriegsverbrechers Branimir Glavaš, der erst heuer im Jänner in Mostar aus dem Gefängnis entlassen wurde. Selbst die SDP hat aber nicht ausgeschlossen, mit der HDSSB zu koalieren, die in Slawonien ihre Hochburg hat.

Partei "Lebende Mauer"

Offen ist, ob die neue Partei von Ex-Präsident Ivo Josipović ins Parlament einzieht; sicherer ist das bei den Grünen (Orah). Auch die Partei "Lebende Mauer", die gegen die Enteignung von Immobilien auftritt, hat Chancen – sowie die istrische Regionalpartei. (Adelheid Wölfl, 3.11.2015)