Wien – Der Richtervereinigung missfällt das Vorgehen von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) bei Postenbesetzungen. Immer wieder würden Posten in Missachtung der Personalsenatsvorschläge nicht nach Qualifikation, sondern nach "anderen Interessen" besetzt – und die Reorganisation des Ministeriums beeinträchtige die richterliche Unabhängigkeit, kritisierte Präsident Werner Zinkl.
Angesichts "zweifelhafter Besetzungen" formuliert Zinkl zwei Forderungen: Die Entscheidungsorgane (Justizminister und Bundespräsident) müssten an zwei gleichlautende Besetzungsvorschläge von Personalsenaten gebunden werden. Und die Besetzung der für das Justizministerium zuständigen Planstellenkommission dürfe nicht dem Minister überlassen sein, sondern müsse gesetzlich geregelt und dabei mehrheitlich gewählte Mitglieder vorgesehen werden.
Zweifelhafte Besetzungen
Beispiele für "zweifelhafte" Postenbesetzungen sind etwa die einer leitenden Funktion im Oberlandesgericht Wien mit einer zuvor im Justizministerium tätigen Richterin, obwohl sie zweimal nur Drittgereihte war – oder die Schaffung einer zweiten Vizepräsidentenstelle am Landesgericht Wiener Neustadt, weil Bundespräsident und Justizminister unterschiedliche Kandidaten präferierten.
Die – aus unabhängigen Richtern bestehenden – Personalsenate seien ein wesentliches Instrument der richterlichen Selbstverwaltung zur Sicherung der Unabhängigkeit. Also beeinträchtige es die Unabhängigkeit, wenn ihren Dreiervorschlägen nicht Folge geleistet werde, kritisiert Zinkl. Laut Richterdienstgesetz haben Personalsenate (des Gerichts und des Oberlandesgerichts) für Richterposten und Leitungsfunktionen Besetzungsvorschläge an das Justizministerium zu erstatten. Formal ist für die Bestellung der Bundespräsident zuständig, der dieses Recht für den Großteil der Posten an den Justizminister übertragen hat.
Kritik auch an Umstrukturierungen
Die Unabhängigkeit der im Ministerium tätigen Richter sieht Zinkl durch Umstrukturierungen gefährdet. Brandstetter hat zwei Sektionen – die Präsidialsektion und die Sektion III (Personal) – zusammengelegt, als er den Strafvollzug mit einer Generaldirektion zurück ins Haus holte. Außerdem wurden die Zuständigkeit der betroffenen zwölf Abteilungen der neuen Sektion leicht verändert.
Damit hat Brandstetter nicht nur einen neuen Sektionschef zu küren, sondern auch die Leiter der neuen Abteilungen, die Posten sind ausgeschrieben. Das schaffe nicht nur Verunsicherung und Demotivation, sondern auch Abhängigkeit, kritisiert Zinkl: "Wenn jeder Minister so umstrukturiert, dass sich immer alle neu bewerben müssen, sorgt das für schlechtes Klima – und keiner, der Aussichten hat, etwas zu werden, wird gegen den Minister auftreten."
Zumal der Minister auch Einfluss nehme auf die Planstellenkommission. Er habe zwei Personen die Leitung übertragen, die er kurz zuvor in bedeutende Positionen berufen hat. Zinkl fordert deshalb, dass die Zusammensetzung der Kommission per Gesetz vorgegeben wird.
Brandstetter weist Kritik zurück
Brandstetter wies die Kritik am Sonntag zurück. Er orientiere seine Vorschläge "streng an den gesetzlichen Vorgaben und fachlichen Erfordernissen". Was die Umstrukturierungen im Ministerium betrifft, brauche man Strukturreformen, "und wer gut und tüchtig ist, hat damit kein Problem".
Zu den von Zinkl angeführten Beispielen für "zweifelhafte" Personalentscheidungen merkte Brandstetter gegenüber der APA an: Sollte seine Vorgangsweise "im Einzelfall dem Gerichtsvorsteher von Leibnitz in seiner an sich objektiven und wichtigen Funktion als Präsident der Richtervereinigung persönlich nicht gefallen, so liegt das an seinen persönlichen Präferenzen. Persönliche Präferenzen sind für meine Vorschläge aber nicht ausschlaggebend, und das wird auch so bleiben."
Frau bei gleicher Qualifikation vorziehen
Dass eine zuvor im Ministerium tätige Richterin als Drittgereihte in eine leitende Funktion im Oberlandesgericht berufen wurde, erklärte Brandstetters Sprecherin Katharina Holzinger mit der gebotenen Gleichbehandlung. Auf Platz eins und zwei seien zwei Männer gereiht gewesen – und laut dem eingeholten Gutachten sei die gleich gut qualifizierte Kandidatin zu nehmen gewesen.
Die zweite Vizepräsidentenstelle in Wiener Neustadt sei geschaffen worden, weil das Ministerium für 2015 zwei zusätzliche Vizepräsidentenposten bekommen habe. Diese habe man an die – nach dem Handels- und Arbeits- und Sozialgericht – beiden nächstgrößten Landesgerichte mit nur einem Vize vergeben, nämlich an Linz und Wiener Neustadt.
Die Planstellenkommissionen würden in allen Ministerien gleich gebildet – und so nominiere auch in der Justiz der Dienstgeber zwei, GÖD und Zentralausschuss je ein Mitglied. (APA, 1.11.2015)