Schreibt gerne, mag aber keine Clipbboards: Greg Hardy.

Foto: Scott Clarke/ESPN Images

Neuer Quarterback – altes Ergebnis. Auch mit Matt Cassel als Spielmacher bleiben die Dallas Cowboys auf der Verliererstrasse. Nach vier Niederlagen in Serie ist einer der Mitfavoriten für den Titel nur mehr Letzter der NFC East. Das hört sich dramatischer an als es das ist, denn man befindet sich nur zwei Siege hinter dem aktuellen Tabellenführer. Trotzdem gehen in Texas die Wogen hoch, wobei der Haussegen noch nicht schief hängt.

Die Frustration sichtbar machte Defensive End Greg Hardy, der in mehrfacher Hinsicht eigentlich ein Problemfall für die Cowboys sein müsste, aber offiziell kein solcher ist.

Hardy wurde im Mai 2014 verhaftet, nachdem er seine Freundin gewürgt, geschlagen und mit Mord bedroht haben soll. Er wurde in erster Instanz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, wogegen er berief und ein Verfahren vor einem Geschworenengericht anstrebte. Bei diesem tauchte dann die Belastungszeugin plötzlich nicht mehr auf und auch das Gericht war nicht in der Lage sie ausfindig zu machen. Das Verfahren wurde daraufhin eingestellt. Die NFL sah es trotzdem als erwiesen an, dass Hardy gegen den Verhaltenskodex der Liga verstoßen hat. Ein Schiedsgericht sperrte ihn am Ende für vier Spiele.

Abgesehen von der Frage, welche Lehren die NFL eigentlich aus der Ray Rice-Geschichte gezogen hat, sind die Geschehnisse auf Nebenschauplätzen und, vor allem, die darauf folgenden Reaktionen interessant.

Nach einem Return Touchdown der Giants ging Hardy auf seinen Special Teams Coordinator Rich Bisaccia los und schlug ihm sein Clipboard aus der Hand. Nach dem Spiel gab er ein aufschlussreiches Interview im Locker, welches er offenbar an Marshawn Lynch anlehnen wollte. Was beim launigen Skittles-Bären noch witzig war, wirkte hier allerdings nur mehr krampfig und hohl. Als Zugabe wurde vergangenen Montag noch bekannt, dass er in der Vorwoche nicht zum Training erschien.

Jetzt sollte man meinen, dass das in Summe das Dallas-Fass ordentlich zum Überlaufen hätte bringen können. Weit gefehlt. Hardy wird von allen Seiten unterstützt und verstanden. Die "Kamelle" mit seiner Freundin ist für die Cowboys längst geklärt, beim Training sei er lediglich ein wenig krank gewesen, der Ausraster gegen den Coach sei doch verständlich, schließlich wolle er, wie kein anderer im Team, ja den Titel gewinnen.

Das lässt mich zumindest ein wenig ratlos zurück, reagiert man anderswo in Texas selbst bei Kleinigkeiten bereits deutlich konsequenter. Ich kenne keinen Klub, der sich das als einzelne Vorkommnisse schönreden würde, schon gar nicht in der kurzen Abfolge als Serie. Das lässt für mich einen Schluss zu: Die Cowboys glauben, dass sie Hardy unbedingt brauchen und lassen das mal über sich ergehen. Solch Schuss muss aber zwangsläufig nach hinten los gehen, wenn die Conclusio von Hardy lautet, dass er prinzipiell eh alles richtig gemacht hat.

Einen anderen Ansatz hat der von mir geschätzte Marko Markovic, der leider viel zu selten und zu wenig bloggt. Er sagte dazu das Folgende auf facebook: "Gut, dass Herr Jones nicht nur findet, dass Gisele ja wirklich – das wird man ja noch sagen dürfen – geil ist, sondern auch dass Hardy "one of the real leaders on this team" ist. Was er gemacht hat war: "he earns it and he earns it with respect from all of his teammates"."

Wenn ein Besitzer zum Beisitzer wird, fällt das gemeinsame Rasen dementsprechend leicht.

Das sind böse Gedanken, wenn auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Es wird hier vielleicht versucht eine Kultur der Unkultur zu etablieren, gegen die ganzen politisch korrekten Frauen- und Special Teams-Coordinator-Versteher, in der sich auch ein Jerry Jones endlich wieder wie ein Mann von damals fühlen kann. Wir spielen Football und betreiben keinen Ponyhof! Wo gehobelt wird, da fliegen Späne. Zum Beispiel die von Möbel, wenn ein Spieler seine Freundin gegen sie wirft.

Ich hoffe wirklich, er irrt sich, der Marko.

Neue blaue Löwen

Nach der sechsten Saisonniederlage hat man in Detroit die Reissleine gezogen. Drei Coaches wurden vor die Tür gesetzt, darunter Offense Coordinator und berühmtester NFL-Enkel Joe Lombardi. Der Angriff der Lions ist in fast allen statistischen Kategorien ganz weit hinten zu finden, bringt keine 20 Punkte pro Spiel aufs Board (#29), hat eine Turonver Margin von -7 (#29) und mit acht verlorenen Fumbles hat nur mehr Cleveland mehr Butter an seinen Fingern. Noch sitzt Head Coach Jim Caldwell fest im Sattel, tatsächlich steht natürlich auch seine Person bereits längst in Frage. Ein Umschwung muss daher eingeleitet werden. Die erste Gelegenheit bietet sich am Sonntag um 15:30 Uhr im Wembley Stadion (live auf Puls 4), in dem Detroit auf Kansas City trifft, welches derzeit eher für erstklassigen Baseball als für Football steht. Auch bei den Chiefs kriselt es. Der Sieg über Pittsburgh kann darüber nicht hinweg täuschen, dass das Playoff mit zwei Siegen und fünf Niederlagen bereits in Ferne gerückt ist.

Dass radikale Personalrochaden mitten in der Saison von Erfolg gekrönt sein können, das bewies zuletzt Miami. Die Dolphins installierten anstelle von Joe Philbin den Schleifer Dan Campbell und das Team sah zumindest bei den Spielen gegen die AFC South-Teams Tennessee und Houston wie ausgewechselt aus. Donnerstagnacht stellten die Patriots die Dolphins wieder auf ihren Platz zurück. Nach dem 7:36 in Foxboro ist man zwischenzeitlich wieder Letzter der AFC East. Das Glück Miamis: Man muss New England nur zwei Mal pro Saison spielen. Vor ihnen liegen noch einige Spiele in der sie weit mehr Hoffnung auf einen Sieg haben dürfen. Buffalo, Baltimore, San Diego oder auch Indianapolis. Wobei das relativ zu sehen ist, worauf ich noch zurück kommen werde. Ob die Umstellung in Detroit die Saison noch retten kann, darf man bezweifeln. Mit 1-6 ist man weit weg von der Musik, abgesehen von Green Bay, die man in der NFC North wohl ganz oben ansiedeln müssen wird, macht auch Minnesota eine recht gute Figur, das immerhin jetzt bereits drei Siege mehr als Detroit am Konto hat.

Die schönen Dinge

Wenden wir uns Erfreulicherem zu und bleiben wir noch in der AFC East. Wenn eine Person sagt, die New England Patriots sind ihr egal, dann schaut sie entweder nicht NFL, oder es heisst eigentlich: Ich mag die nicht! Es gibt viele Gründe die Patriots nicht zu mögen. Vorneweg, dass dein Team immer gegen sie verliert, gefolgt von diversen Gates bis hin zu den Personen – Tom Brady und Bill Belichick. Ich bin ja auch alles andere als ein eingefleischter Fan der Wirten, aber ihr Essen schmeckt mir zu gut um ihr Lokal nicht aufzusuchen. Die Partie am vergangene Sonntag gegen die Jets war vom Feinsten und das lag zum Glück auch am Gegner. Ich hoffe an der Stelle sehr, dass die New York Jets heuer das Playoff erreichen. Da wurde in der Offseason gut gearbeitet und auch die richtigen Leute geholt. Das Team wirkt fokussiert, ruhig, macht auf und neben dem Feld wenig Unsinn und spielt das was es gut kann: Smash Mouth Football mit der Bohrmaschine Ivory, der gepflegte kurze Pass gerne in einen Screen verpackt, eine knochentrockene Defense (#2 Overall, #1 gegen den Lauf) und ebenso humorbefreite Special Teams. Auch sowas kann Spaß machen, es muss nicht immer ein Buttfumble sein. Die Jets haben das Spiel gegen die Patriots nicht verloren, sondern New England hat alles auspacken und dabei viel herzeigen müssen, um es knapp zu gewinnen.

Was hört man dazu von der Hater-Fraktion? Sie (die Patriots) haben bisher ja nur die Steelers, die Colts, die Bills, die Jaguars, die Jets, die Cowboys und jetzt halt – mein Gott – die Dolphins geschlagen. Als ob diesen sieben Teams ihre 17 Siege bisher ebenso geschenkt wurden, wie sie den Sieg New England schenkten. Wenn das eh alles so einfach ist, warum schlug dann Arizona nicht Pittsburgh? Oder sind die Cardinals auch ein leichter Gegner? Das "Ur leichte Gegner"-Gerede wird sich übrigens im Winter fortsetzen, denn New England spielt heuer u.a. noch gegen Washington. Houston und Tennessee. Und Denver werden sie auch schlagen, weil: Eh klar, der Manning ...

Ich glaube an das alles nicht. An leichte Spielpläne, schwache Gegner, sichere Siege, bestellte Felder, gemähte Wiesen. Buffalo war im Wembley vergangenen Sonntag gegen Jacksonville Favorit, führte mit drei Scores und es war nicht zu Ende. Aus ist es erst, wenn die dicke Frau singt. Ich glaube an Arbeit, Vorbereitung, System, Fokus und Attitüde. All das bietet New England zur Zeit auf. Deshalb sind sie bei 7-0 und nicht bei 3-4.

Man darf doch noch träumen Die sozialen Medien taugen (neben für dumme Hetze und gegen das Kindeswohl gefährdende Brustwarzen) zur sportiven Romantik. Fans klammern sich an hoffnungslose Fälle gleichermaßen wie auch an jene, die über die Frage "vielleicht überraschen wir ja?" hinweg sind. Weil das haben sie schon. Oakland ist so ein Fall. Meisterschreiner Jack Del Rio hat hier klammheimlich gebastelt und plötzlich wissen wir nicht nur wer Armani Cooper ist (den hätte man ahnen können), sondern kennen auch die Herren Latavius Murray und Derek Carr, die wir vor der Saison jetzt nicht zwingend in unserem Fantasy Team haben wollten. Das stellt sich kurz vor Halbzeit anders dar. Jetzt müsste nur noch die Defense (#26 Overall) nachziehen und die Raiders wären tatsächlich wieder dort wo sei einst waren. Bei allem Jauchzen über das ansehnliche Spiel – die Raiders stehen bei 3-3 und geht die Saison so weiter wie bisher, dann gibt es erneut keine Postseason für Oakland.

Ähnlich wird es wohl den Liebhabern der Minnesota Vikings gehen, die Mitte November gegen die Raiders spielen werden. Ein Austrian Bowl Rematch quasi. Detroit gesweeped, San Diego dominiert, gegen Denver nur knapp verloren. Geht da was? Wenn man die ersten Woche ausblendet, in der man gegen die 49ers eine auf das Wikingernäschen bekam, sollte man meinen ja, denn aktuell steht man mit 4-2 in der NFC auf einem Wild Card Platz. Wer wissen möchte, wie es in Sachen Playoffs gerade um sein Team in Zahlen und Prozenten steht, dem sei das sophistizierte Kaffeesudlesen von Mike Harris bei den Football Outsiders empfohlen.

Football im TV

Für die Saison 2015 hat sich Pro7/sat1 ein umfangreiches Rechtepaket von 50 Live-Spielen gesichert. Pro7maxx überträgt jede Woche ein Frühspiel (19:00 Uhr) und im Anschluss ein Abendspiel (22:05 od. 22:25 Uhr). Davon profitiert auch Puls 4, welches 30 Spiele live überträgt. Jeden Sonntag ein 22:25 Uhr Spiel, zwei Nachmittagspartien (15:30 Uhr) aus dem Wembley Stadion, so wie alle Playoffs, sprich vier Wild Card, vier Divisional Playoffs, die beiden Conference Finals und die Super Bowl 50. Alle 30 Partien darf ich zusammen mit Michael Eschlböck kommentieren. Sport1US hat die Rechte für die Nachtspiele am Donnerstag (2:25 Uhr), so wie Sonntag und Montag (jeweils 2:30 Uhr) geholt. Alle Spiele live, den Redzone Channel und condensed games gibt es im NFL Gamepass zu sehen. Das Sportportal Spox hat Online-Rechte für die Nachtspiele am Donnerstag, Sonntag und Montag erworben. (Walter Reiterer, 31.10.2015)

Das NFL TV-Programm der Woche 8:

Kansas City Chiefs vs. Detroit Lions
Sonntag 15:30 Uhr – Puls 4/Pro7maxx

Pittsburgh Steelers vs. Cincinnati Bengals
Sonntag 19:00 Uhr – Pro7maxx

Dallas Cowboys vs. Seattle Seahawks
Sonntag 22:25 Uhr – Puls 4/Pro7maxx

Denver Broncos vs. Green Bay Packers
Nacht Sonntag auf Montag 02:30 Uhr – Sport1US/spox.com

Carolina Panthers vs. Indianapolis Colts
Nacht Montag auf Dienstag 02:30 Uhr – Sport1US/spox.com

Schöne Spiele und vielleicht bis Sonntag. Ihr Walter Reiterer