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Teheran, Februar 2012: die iranische Luftwaffe stellt Ayatollah Khomeinis Rückkehr aus dem Exil nach.

Foto: REUTERS/Mehr News Agency/Ruhollah Yazdani

Wien – Obwohl manche im amerikanisch-russischen Wettbewerb, wer die Zukunft Syriens bestimmen wird, einen Kalten-Krieg-Ausläufer sehen – inklusive Vergleich mit Afghanistan in den 1980ern -, sind die Außenminister John Kerry und Sergej Lawrow doch so etwas wie ein eingespieltes Gespann (wenngleich sie gelegentlich in unterschiedliche Richtungen zerren). Sie haben im vergangenen Jahr auch eine Menge voneinander gesehen: Trotz laufender und völlig ungelöster Ukraine-Krise waren die Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm unter dem Strich ein Beispiel konstruktiver US-russischer Zusammenarbeit.

Das heißt, Kerry und Lawrow können schon einmal feststellen, "to agree to disagree", und trotzdem weitermachen. Bei einem anderen Gegnerpaar geht es hingegen bei jedem Detail immer gleich ums Ganze: bei Saudi-Arabien und dem Iran. Die beiden Länder sind in Syrien in einen Stellvertreterkonflikt im mehrfachen Sinn verstrickt: Ihre Stellvertreter kämpfen gegeneinander, aber Syrien steht auch stellvertretend für andere umstrittene Orte, wie den Irak und den Libanon, aber auch Bahrain.

Andere, ursprünglich lokale Konflikte werden dem Stellvertreterschema angepasst: klassisch dafür der Jemen, wo ein 2004 ausgebrochener lokaler Aufstand in der Peripherie, der mit "Schiiten" gar nichts zu tun hatte, plötzlich im großen Kontext des iranisch/schiitischen – saudisch/ sunnitischen Wettbewerbs steht – und dadurch noch viel blutiger und schwerer lösbar wird.

Den Jemen mitdenken

Den Konflikt im Jemen sollte man, wenn man von den Syrien-Verhandlungen spricht, immer mitdenken: Wenn es um das iranisch-saudische Verhältnis geht, ist das ein Paket.

Woher kommt das schwierige saudisch-iranische Verhältnis? Die konfessionelle Unterscheidung sunnitisch/schiitisch, die sich angesichts der heutigen Konfliktrealität aufdrängt, ist nur eine – für manche Akteure, auch äußere nützliche – Ebene eines politischen Konflikts. Wobei die religiöse Dimension von den beiden Seiten durchaus unterschiedlich bewertet wird.

Sunna-Schia-Konstrukt

Die iranische offizielle Linie ist oft, dass der sunnitisch-schiitische Zwist bewusst von außen implantiert wurde, um den Islam zu schwächen – postkoloniale Theoretiker sprechen hingegen von einer orientalistischen Konstruktion, die quasi zur "self-fulfilling prophecy" geworden ist, was den ehemaligen Kolonialisten nur allzu gut passe.

Aber in den Staatskanzleien von arabisch-sunnitischen Ländern sieht man das ganz und gar nicht so: Dort glaubt man an die Bedrohung der Schia, deren Wunsch, den Islam zu schiitisieren. So kommt es zu Abstrusitäten wie der ägyptischen salafistischen al-Nur-Partei, die sich in einem Land fast ohne Schiiten, wie Ägypten, im Wahlkampf als Bollwerk gegen die Schia anpreist.

In der jüngeren Geschichte ist 1979 ein Schlüsseljahr, das Jahr der Islamischen Revolution im Iran. Bis dahin waren beide, Iran und Saudi-Arabien, Verbündete der USA gewesen; ihre Konkurrenz war durch diese gemeinsame Allianz unter Kontrolle. Den politischen Islam vertrat nur Saudi-Arabien, in der Auseinandersetzung des Kalten Kriegs war er eine akzeptierte Waffe.

1979 verlässt der Iran diese Allianz und wird (auch) islamisch. Ayatollah Khomeini wollte nie ein "schiitischer" Führer sein, immer ein "islamischer" – und als solcher griff er das saudische Königshaus frontal an, nannte es dem Islam entgegengesetzt. Die iranische Revolution inspirierte islamistische Gruppen aller Couleurs, im November 1979 etwa besetzte eine Gruppe (einer charismatischen Bewegung, die mit dem Iran oder der Schia nichts zu tun hatte) die Große Moschee in Mekka.

Islamexport-Wettstreit

Der Iran exportiert nach 1979 seinen islamischen antimonarchistischen Revolutionsgedanken – und das saudische Regime reislamisiert sich und macht die eigene salafistisch-wahhabitische Ideologie, die es für friedfertig und unpolitisch hält, zum Exportschlager. Sie ist aber schon längst – auch durch die ägyptischen Muslimbrüder, die in den 1950ern und 1960ern vor Nasser nach Saudi-Arabien fliehen – revolutionär kontaminiert.

Ein Sprung: 2003 beenden die USA durch den Sturz Saddam Husseins ihre Politik der "doppelten Eindämmung" von Iran und Irak. Teheran gewinnt rasant Einfluss im Irak, und das zu einer Zeit, als bekannt wird, dass der Iran davor steht, sich die Urananreicherungstechnologie anzueignen, die sowohl für friedliche als auch für militärische Zwecke einzusetzen ist.

"Islamische" Revolution

Und dann kommt 2011 der Arabische Frühling: Dass die USA Hosni Mubarak in Ägypten fallen lassen – eine Revolution, die in Teheran als "islamisch" gefeiert wird und in Kairo zum Aufstieg der in Riad verhassten Muslimbrüder führt -, erschüttert das saudische Königshaus zutiefst.

Als sich 2011 in Syrien durch den demokratischen Aufstand eine vermeintliche Gelegenheit gibt, wenigstens den Iran-Verbündeten Bashar al-Assad zu stürzen und damit den iranischen Einfluss zu brechen, greift Saudi-Arabien zu: was nur die Entschlossenheit auf der anderen Seite stärkt, ihn nicht fallenzulassen. Ab einem gewissen Zeitpunkt setzt der Iran dazu auch die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah ein. Sunnitische Jihadisten rufen zum finalen Kampf gegen die Schia ... Und all dies einzufangen bedarf mehr als eines Treffens in Wien. (Gudrun Harrer, 31.10.2015)