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Ein (noch) seltener Anblick: Kevin Wimmer im Dress von Tottenham. Der Oberösterreicher hofft auf mehr Einsatzzeit.

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Beim 1. FC Köln gelang Wimmer der internationale Durchbruch. Unter Peter Stöger war er als Innenverteidiger gesetzt.

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Zwei Länderspiele absolvierte Wimmer bisher für das ÖFB-Team. Bosniens Semir Stilic hatte er im Freundschaftsspiel Ende März fest im Griff.

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Wien – Im vergangenen Juli erfüllte sich Kevin Wimmer einen Traum. Der 22-Jährige, der sich als großen Fan des englischen Fußballs bezeichnet, unterschrieb einen Fünfjahresvertrag beim achtfachen FA-Cup-Sieger Tottenham Hotspur. In der Startelf der Londoner feierte der Welser in der Europa League beim 3:1-Sieg gegen Qarabağ Premiere. Britische Fußballluft schnupperte Wimmer erstmals Ende September. Im Liga-Pokal unterlag er mit Tottenham zwar dem Stadtrivalen Arsenal, das Derby war für ihn dennoch ein "großes Erlebnis". Auf regelmäßige Einsätze wartet der ÖFB-Teamspieler, dem unter Peter Stöger beim 1. FC Köln der internationale Durchbruch gelungen ist, allerdings.

STANDARD: "London bleibt mir ein riesiges, aufregendes Rätsel", schreibt der Reisejournalist Bill Bryson. Stimmen Sie dem zu?

Kevin Wimmer: Spannend ist es auf jeden Fall hier. Ich habe einige Zeit gebraucht, um mich in dieser riesigen Stadt zurechtzufinden. Da bin ich schon einmal planlos durch die Straßen geirrt. Was mir gefällt: Die Menschen sind offen und hilfsbereit. Ich mag auch die alten Gebäude und die vielen Kaffeehäuser.

STANDARD: Wie oft kommen Baked Beans und Black Pudding auf den Frühstückstisch?

Wimmer: Nie. Wir bekommen unser Frühstück vom Verein. Da wird natürlich darauf geachtet, dass es gesund ist. Meistens esse ich Omelette. Oder auch Porridge. Das kannte ich vorher nicht, ist aber lecker. Mittlerweile trinke ich meinen Tee sogar mit Milch.

STANDARD: "Es kann im Leben nicht immer alles nach Wunsch verlaufen", haben Sie unlängst gesagt. Was läuft derzeit nicht nach Plan?

Wimmer: Natürlich möchte ich öfter spielen. Die Konkurrenz ist hier aber größer als in Köln. Mit Toby Alderweireld und Jan Vertonghen spielen zwei Weltklasse-Innenverteidiger bei Tottenham. Man muss sich nur anschauen, welche Erfolge sie mit der belgischen Nationalmannschaft feiern. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als ruhig zu bleiben und weiterhin hart zu arbeiten.

STANDARD: Warum verzichtet Trainer Mauricio Pochettino auf Sie?

Wimmer: Pochettino nimmt gerne viele Offensivspieler auf die Bank. Deshalb war ich als Verteidiger vorerst selten im Kader. Er hat in den vergangenen Wochen aber öfters mit mir gesprochen und gesagt: "Kevin, bleib ruhig und verzweifle nicht, es wird alles gut. Ich bin mit dir zufrieden, arbeite weiterhin so hart wie bisher." Ich schätze Pochettino als Menschen ein, der so etwas nur sagt, wenn er es tatsächlich ernst meint. Ich habe schon vor meinem Wechsel gewusst, dass es enorm schwierig sein wird, in die Startformation zu kommen. Ich bin nicht der Typ, der schnell die Nerven verliert. Ich muss geduldig bleiben.

STANDARD: So leicht steckt man das weg?

Wimmer: Wenn du dich die ganze Woche über im Training voll reinhaust und am Wochenende, wenn die Party steigt, auf der Bank sitzt, ist es natürlich nicht einfach. Es bleibt mir aber nichts anderes übrig, als alles zu geben, auf meine Chance zu warten und sie dann zu nutzen. Ich will dem Trainer zeigen, dass er auf mich bauen kann.

STANDARD: Im Ligacup haben Sie Ende September beim 1:2 gegen Arsenal Ihr Debüt im britischen Fußball gefeiert. Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf?

Wimmer: Die Rivalität zwischen Tottenham und Arsenal ist riesig. Mir wurde gesagt, dass die wichtigsten Spiele immer jene gegen Arsenal sind. Für mich war es etwas Besonderes, gegen Topfußballer wie Theo Walcott und Per Mertesacker zu spielen, die ich vorher nur aus dem Fernsehen gekannt habe. Das sind die Spiele, für die man Profi wird.

STANDARD: Was ist das Besondere an Tottenham?

Wimmer: Die meisten Spieler sind noch sehr jung und haben enormes Potenzial. In der Mannschaft steckt große Qualität, da kann ich mir vieles abschauen. Sie haben große Spieler hervorgebracht wie Luka Modric und Gareth Bale. Ich versuche hier jede einzelne Sekunde auszukosten.

STANDARD: Um in die Startelf zu kommen, müssten Sie sich gegen Toby Alderweireld und Jan Vertonghen durchsetzen. Wodurch zeichnen sich die Belgier aus?

Wimmer: Jan ist routiniert und spielt sehr ruhig. Er ist enorm zweikampfstark und gibt nur selten einen Ball verloren. Er hat auch eine gute Übersicht und ist ein wichtiger Faktor im Spielaufbau. Toby ist für sein Alter (26, Anm.) abgeklärt und souverän. Obwohl er nicht der größte ist, ist er kopfballstark. Die beiden sind derzeit einfach gut in Form.

STANDARD: Woran müssen Sie noch arbeiten, um regelmäßig zu spielen?

Wimmer: Ich möchte in den Zweikämpfen noch präsenter und stabiler werden. Im englischen Fußball spielen auch Luftzweikämpfe eine wichtige Rolle, viele Mannschaften spielen mit hohen Bällen. Auch körperlich möchte ich mich weiterentwickeln, um mich zu beweisen. Das geht halt nur, wenn man auch spielt. Ich glaube aber, dass sich meine Situation verändern wird.

STANDARD: Sie bezeichnen sich als großen Fan des englischen Fußballs. Was fasziniert Sie daran?

Wimmer: Der englische Fußball ist extrem intensiv. Es geht auf und ab, man gibt 90 Minuten Vollgas. Von der spielerischen Qualität her sind viele Partien vielleicht nicht so attraktiv wie in Deutschland. Die unglaubliche Intensität macht das aber wett. Mich fasziniert die Physis des britischen Fußballs.

STANDARD: Wie erleben Sie die Fußballverrücktheit Englands?

Wimmer: In London gibt es ja extrem viele Pubs, Fußball läuft dort rund um die Uhr. Egal, durch welches Viertel du läufst, irgendwo spielt immer jemand Fußball.

STANDARD: Mitte September haben Sie auf Facebook ein Foto gepostet. Man sieht Sie vor dem Fernseher sitzen, in dem das Derby zwischen Köln und Borussia Mönchengladbach läuft. Einmal Kölner, immer Kölner?

Wimmer: Auf jeden Fall. Nach Startschwierigkeiten habe ich in Köln eine schöne Zeit verbracht, die enorm wichtig für meine Entwicklung war. Peter Stöger war für mich der optimale Trainer.

STANDARD: Wie hat Stöger Ihnen weitergeholfen?

Wimmer: Es gibt wohl nicht viele Trainer, die so intensiv mit ihren Spielern sprechen. Peter Stöger gibt immer wieder Feedback, egal ob du Stamm- oder Ersatzspieler bist. Er hat mir immer gesagt, wo ich bei ihm stehe, was ihm gefällt, was noch zu verbessern ist. Nach den Trainings bietet er mit seinem Co Manfred Schmid sogar an, individuell an den Schwächen zu arbeiten. Stöger investiert extrem viel Zeit in die Analyse der gegnerischen Mannschaften. Wir wussten immer genau, was uns erwartet. Menschlich habe ich mich mit ihm sehr gut verstanden.

STANDARD: Was vermissen Sie am meisten an Köln?

Wimmer: Die Hymne, wenn man aufs Spielfeld läuft. Die Schals werden in die Höhe gestreckt, die Fans grölen mit.

STANDARD: Ist die Stimmung in deutschen Stadien nicht generell besser als in englischen? Auf der Insel gibt es kaum Choreografien und Trommeln.

Wimmer: Es ist schwierig, die Fantraditionen zu vergleichen. In Deutschland gibt es Bengalos und Fahnen. Dort wird viel Wirbel gemacht. In England wird halt nur gesungen und geklatscht. Dafür singt das ganze Stadion mit, und die Fans sitzen extrem eng beisammen. Beide Arten des Supports haben ihre Vorzüge.

STANDARD: Vor nicht allzu langer Zeit galten Österreicher in England als Fußballexoten. Sprechen Sie Ihre Kollegen auf das österreichische Nationalteam an?

Wimmer: Mittlerweile hat es sich natürlich herumgesprochen, dass wir in der EM-Qualifikation nach den Engländern die meisten Punkte gesammelt haben. Meine Mitspieler wollten unbedingt wissen, wer bei uns im Team spielt und warum wir plötzlich so gut sind. (Kordian Prokop, 2.11.2015)