Muss man sich Sorgen um die "Kronen Zeitung" machen? Wenn andere Redakteure dem Beispiel des Chefredakteurs der steirischen Ausgabe folgen, können Auswirkungen auf die Seriosität des Blattes nicht ausbleiben, und was das wieder für die Auflage bedeutet – nicht auszudenken! Nach Verfasssung eines Kommentars am Sonntag, der durchaus im Rahmen der von der "Krone" alltäglich gepflegten Weltbetrachtung lag, aber unter den üblichen Gutmenschen des Landes Empörung hervorrief, tat Christoph Biró zwei Tage später bekanntlich Ungewöhnliches: Er trat zurück, wie "Die Presse" Donnerstag in einem Untertitel etwas ungenau meldete. Richtig ist, dass er bekannt gab, sich "aus eigenen Stücken für einige Zeit aus der Redaktion zurückzuziehen".

Ob er die eigenen Stücke auch mobilisiert hätte, wäre da bei der Staatsanwaltschaft nicht schon eine Sachverhaltsdarstellung zu seinem geistigen Produkt vorgelegen, konnte "Die Presse" trotz ehrlichen Bemühens nicht herausfinden. Sie sprach auch mit Biró persönlich, aber dieser bat um Verständnis, dass er zum Inhalt seiner Kolumne keine Stellungnahme abgeben möchte. Bei allem Verständnis der "Presse", wurde es dieser dadurch bei den Nachforschungen unmöglich festzustellen, welche Passage Biró in seinem Text welchem Ereignis – so es überhaupt stattgefunden hatte – zuordnete.

Obwohl keine noch so subtile Textkritik der "Presse" an besagtem Werk Birós mehr Klarheit hätte schaffen können als dessen bereits vollzogener Rückzug aus eigenen Stücken, überwand ihr Redakteur die nur von ihm erkannte Schwierigkeit, welche Passage welchem Ereignis zuzuordnen sein könnte, und unterwand sich der Aufgabe, Birós Vorwürfe abseits der Wortwahl inhaltlich zu prüfen. Die von tiefem journalistischem Verantwortungsgefühl zeugende Trennung von Wortwahl und Inhalt zwecks Erforschung der Wahrheit in Birós Text förderte mit menschlichen Ausscheidungen verunreinigte Züge sowie auch verbale Respektlosigkeiten zutage, denen man die Differenz in der Wortwahl bei "Presse" und "Krone" mühelos ansah. Der Inhalt war weitestgehend falsch.

Trotz des Aufwandes, den die "Presse" mit einer journalistischen Flatulenz der "Krone" trieb (auch wir können Wortwahl und Inhalt trennen), blieb dem Blatt das Wesentliche verborgen. Der Chefredakteur des "Kurier" musste antreten, um es zu enthüllen: Biró hat nur abgeschrieben, und schuld ist die Politik! Wir müssen dem Chef der Steirer-"Krone" dankbar sein. Kein Zynismus. Christoph Biró hat unwahre, erfundene Geschichten aus dem Internet abgeschrieben, seinen Fehler erkannt und ist zurückgetreten.

Wer sich fragte, warum man Biró ohne jeden Zynismus dankbar sein muss, wurde von Brandstätter rasch belehrt: Damit wird die Aufmerksamkeit endlich darauf gerichtet, dass das Internet voll von Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen ist. Wenn der Chefredakteur des "Kurier" erst auf diesem Wege erfahren haben sollte, dass das Internet voll von Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen ist, hat er allen Grund, dem Chefredakteur der Steirer-"Krone" dankbar zu sein, auch wenn man ob dieses Informationsgewinns einen Hauch von Zynismus nur schwer unterdrücken kann.

Als Whistleblower Brandstätters hat sich Biró umso größere Verdienste erworben, als auch er keinen Verdacht gehabt haben konnte, dass das Internet voll von Verschwörungstheorien und Desinformationskampagnen ist, sonst hätte er die mit menschlichen Ausscheidungen verunreinigten Züge so sorgfältig recherchieren lassen, wie man das von der "Krone" gewohnt ist, und nicht einfach voll des naivsten Gottvertrauens aus dem Internet abgeschrieben.

Im Hinblick auf die menschlichen Ausscheidungen journalistischer Natur ist man geneigt, Brandstätter zuzustimmen, wenn er die Schuldigen an der Misere entlarvt: Die Politik will nicht begreifen, dass Internet-Medien immer wichtiger werden. Auch bei der Desinformation. Aber dass die "Krone" zwecks Desinformation jemals das Internet gebraucht hätte, lässt sich schwer verifizieren, und dass die Politik plötzlich schuld daran sein soll, wenn ein Blatt ausländerfeindliche Lügen nicht einmal mehr erfinden muss, sondern ebenso gut anderswo Erfundenes abschreiben kann, wenn es nur zur Blattlinie passt, ist ein interessanter Denkansatz.

Womit Biró rehabilitiert wäre. Kein Zynismus. (Günter Traxler, 31.10.2015)