Parzival (Jakob Elsenwenger) kämpft im Wiener Theater der Jugend mit den Dämonen seines Alter Egos (Florian Stohr als Schattenriss).


Foto: Rita Newman

Wien – "Warum müssen die Auserwählten immer die größten Dummköpfe sein?" Das würde man echt gern mal wissen. In Wolfram von Eschenbachs Mensch- und Ritterwerdungsepos Parzival gibt es darauf zwar keine Einsatzantwort. Aber eines ist klar: An einem mittelprächtig begabten Helden lässt sich das zu erreichende Ideal erst so richtig ermessen.

Den mittelalterlichen Versroman hat Bernhard Studlar, Dramatiker und Koleiter des Autorentheaterprojekts Wiener Wortstaetten, nun als Coming-of-age-Geschichte für junges Publikum neu in (viel weniger) Worte gefasst: Human Being Parzival. Man ist den kecken, originellen "Übersetzungen" im Theater der Jugend gierig auf der Spur. Auch die Inszenierung von Stefan Behrendt leistet gute Transferarbeit, ohne die Seltsamkeit dieses Entwicklungsdramas zu verraten (mittelhochdeutsche Namen und alte Sitten).

Parzival (Jakob Elsenwenger), von seiner Mutter Herzeloyde (Florian Stohr mit Flechtfrisur: "Ich bin Alleinerzieherin. Das ist nicht immer so einfach!") in der Abgeschiedenheit der Wälder allein erzogen, will irgendwann raus und Abenteuer erleben. Der Ritterstand scheint ihm ein ehrenwertes Ziel. Nach Lehrjahren bei Gurnemanz (ein ordenbehangener General im Rollstuhl: Stohr) lenkt ihn das Schicksal zur Gralsburg Montsalvant, um dort den alten König Amfortas (Uwe Achilles) zu erlösen, was ihm im ersten Anlauf bekanntlich nicht gelingt.

An Lokalkolorit mangelt es der Aufführung nicht: Puppenhausgroße Pappkartonwälder werden groß auf die Bühne projiziert; Schlachten mit einer rasch aufgezogenen Phalanx an Vorhangrittern dargestellt, Duelle als Schattenspiel. Den Sachkundeunterricht in puncto ordnungsgemäßes Ritteroutfit kann sich die Inszenierung nicht verkneifen: Kettenhemd, Brustpanzer, Schild und Co ergeben hier einen großen Haufen Papierschnitzel.

Im postheroischen Zeitalter bleibt die Figur Parzival geerdet, ohne an Strahlkraft zu verlieren. Auch das Happyend mit der Auserwählten Condwiramur (Felizitas Franz) ist kein Honiglecken. (Margarete Affenzeller, 30.10.2015)