Zu Beginn von Bidya Bhandaris (54) Aufstieg in das höchste Amt des Himalajastaats Nepal stand ein Schicksalsschlag. Die Mutter zweier Töchter war 32, als ihr Ehemann, der Generalsekretär der nepalesischen Kommunisten, 1993 mit seinem Jeep auf einer Landstraße im Zentrum des Landes tödlich verunglückte. Der einzige Überlebende, der Fahrer des Autos, wurde wenige Tage nach dem Unfall von Bewaffneten entführt und ermordet.
Auch deshalb wollen die Spekulationen um den Tod des charismatischen Politikers, der den marxistisch-leninistischen Zweig der Kommunisten (CPN-UML) auf einen pluralistischen Kurs zu trimmen verstand, bis heute nicht verstummen.
Mandat des verstorbenen Ehemannes
Bhandari, die sich schon als 17-Jährige der Jugendorganisation der CPN-UML in ihrer ostnepalesischen Geburtsstadt Bhojpur verschrieben hatte, gewann kurz nach dem Tod ihres Mannes bei einer Nachwahl in der Hauptstadt Kathmandu überraschend dessen Mandat – gegen einen ehemaligen Premierminister.
Es sollte nicht ihr letzter Etappensieg gegen das männliche Establishment in dem mehrheitlich hinduistisch geprägten Gebirgsland bleiben. 1998 stieg sie in das Zentralkomitee der Partei auf, kurz diente sie als Umweltministerin, fast zwei Jahrzehnte lang stand sie dem nationalen Frauenverband vor, einer Schwesterorganisation der CPN-UML.
Als 2008 der autoritär regierende König Gyanendra aus dem Amt gejagt und Nepal nach zweieinhalb Jahrhunderten Monarchie zu einer Republik wurde, schlug endgültig die Stunde Bhandaris. Erst zog sie in das Übergangsparlament ein, dann bekleidete sie zwei Jahre lang das Amt der Verteidigungsministerin.
Gesicht der Verfassung
Ihr Sieg bei der Präsidentenwahl im Parlament verleiht der kurz davor nach jahrelangem Hickhack verabschiedeten Verfassung ein Gesicht. Ihr Vorgänger, der ursprünglich für zwei Jahre bestellt war, kann nach sieben Jahren abtreten. Im nepalesischen Parlament muss künftig ein Drittel der Abgeordneten weiblich und entweder der Staatspräsident oder sein Stellvertreter eine Frau sein, heißt es dort.
Mit 54 Jahren hat Bhandari den Gipfel ihrer politischen Laufbahn erklommen. Obwohl ihr Amt vor allem zeremonielle Pflichten umfasst, legen vor allem Frauen und Angehörige der mehr als 100 ethnischen Minderheiten im Land Hoffnungen in ihr erstes weibliches Staatsoberhaupt. (Florian Niederndorfer, 29.10.2015)