Wein und Bier, gib sie mir: Österreich scheint in Studien als ein Land auf, in dem besonders viel getrunken wird. Für die heimischen Betriebe ein Problem: Während Dienstnehmer ohne Alkoholprobleme laut Weltgesundheitsorganisation im Durchschnitt einen Zielerreichungsgrad von 90 Prozent vorweisen, beträgt dieser bei Alkoholikern nur 74 Prozent.

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Auch zu viel Arbeiten kann krank machen – und letztendlich zu völliger Unproduktivität führen.

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Nicht nur Suchtmittel, auch das Internet kann abhängig machen: "Bei der Internetsucht ist jemand übermäßig viel in sozialen Netzwerken unterwegs und lässt die Arbeit links liegen", sagt Erich Pospischil, Leiter des Arbeits- und Sozialmedizinischen Zentrums Mödling.

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Zehn bis 15 Prozent der Mitarbeiter in österreichischen Betrieben haben laut Österreichischer Gesellschaft für Arbeitsmedizin einen problematischen Alkoholkonsum, trinken also beispielsweise mehr als zwei (Frauen) beziehungsweise mehr als drei Viertel Wein (Männer) pro Tag.

Die Folgen: Fehlzeiten, Krankenstände, Arbeitspflichten werden vernachlässigt, Fehler passieren. So geht die Weltgesundheitsorganisation WHO davon aus, dass Alkoholiker 16-mal häufiger am Arbeitsplatz fehlen, mehr als doppelt so häufig krank sind. Übermäßiger Alkoholkonsum am Arbeitsplatz führt offenbar zu einem Produktivitätsverlust von durchschnittlich 15 bis 25 Prozent. An jedem fünften Arbeitsunfall dürfte Alkohol schuld sein.

Negative Konsequenzen

"Auch das Betriebsklima leidet schließlich", sagt Erich Pospischil, Ärztlicher Leiter des Arbeits- und Sozialmedizinischen Zentrums (AMZ) Mödling. "Abmachungen werden nicht eingehalten, jemand verhält sich aggressiv gegenüber Kollegen."

In den heimischen Betrieben werde das Thema jedoch allzu häufig tabuisiert – da der Konsum von Alkohol hierzulande gesellschaftlich akzeptiert sei, gewissermaßen "zum Lebensstil dazugehöre". Vor allem würden jene Mitarbeiter geschützt werden, die eine gewisse Stellung im Betrieb haben. "Da wird zwar getuschelt, aber niemand tut etwas", sagt Pospischil.

Konkrete Zeichen werden zu selten ernst genug genommen. "Da ist der Ausrutscher bei der Betriebsfeier, da hat jemand einmal bei der Arbeit eine Fahne." Erst wenn es "einen Crash gibt", komme das Thema auf die Agenda. "Dann ist es aber bereits zu spät, denn die Beteiligten sind mit der Situation überfordert", sagt Pospischil.

Das große Tabu

Was ist also nötig, um dem Thema Sucht rechtzeitig zu begegnen? "Breitflächig verankerte Strukturen", sagt die Psychologin und Unternehmensberaterin Barbara Supp. Es gelte, das Thema zu enttabuisieren, eine Unternehmenskultur zu etablieren, die es erlaube, Süchte offen anzusprechen. "Das ist wichtig, denn es geht um Menschen."

Hilfsstrukturen, inner- wie außerbetriebliche, müssten geschaffen werden. Weitere Maßnahmen könnten Führungskräftecoachings sein, in denen sich Chefs mitunter eigenen Ängsten widmen. Auch die übrigen Mitarbeiter müssen geschult, informiert, vorbereitet werden, sonst komme es zu einer sogenannten Koabhängigkeit: Der Betroffene werde gedeckt, Aufgaben für ihn übernommen. "Das bringt gar nichts", sagt Pospischil.

Gespräche und Hilfe

Im Einzelfall gelte es nicht lange zuzuwarten, empfiehlt Supp. "Das Hauptkriterium ist: Verändert sich etwas – im Arbeitsverhalten, an der Persönlichkeit, im Äußeren? Kommt die Person häufig nicht zur Arbeit, ruft der Partner für sie an, ist das auffällig."

Es sollten Gespräche folgen. Bei einem ersten müsse der Chef signalisieren, dass er sich Sorgen mache. "Bitte nicht als Anklage oder Vorwurf", sagt Supp. Dann solle eine konkrete Vereinbarung getroffen werden: "Zum Beispiel, dass es in sechs bis acht Wochen ein Folgegespräch geben wird" – bis dahin könne der Mitarbeiter Veränderungswillen unter Beweis stellen.

Begleitend solle er Hilfe erhalten: Psychotherapie, im Falle einer fortgeschrittenen Erkrankung auch eine ambulante Behandlung. "Ist jemand nicht in der Lage, aus eigener Kraft etwas zu verändern, kann es auch eine Therapieauflage geben", sagt Supp.

Auch andere Drogen im Spiel

Andere Süchte, die die Arbeit stören können, sollten ebenfalls schneller zum Thema gemacht werden, sagen die Experten.

Zwischen 90.000 und 130.000 Österreicher sind laut dem Institut Suchtprävention medikamentenabhängig. Selten, aber doch sind illegale Drogen im Spiel: Aktuell pflegen hierzulande etwa 25.000 bis 37.000 Personen einen problematischen Konsum. "Mit Cannabis haben vor allem Lehrlinge ein Problem", sagt Pospischil.

Noch seltener im Unternehmen zum Thema gemacht würden nicht stoffgebundene Abhängigkeiten wie etwa Kauf- oder Spielsucht. "Sie werden am Arbeitsplatz erst dann evident, wenn Kollegen um Geld gebeten werden oder gar gestohlen wird. Dann haben sie aber erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb." Rund acht beziehungsweise ein Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen.

Süchtig nach Arbeit

Sorgen machen den Experten auch sogenannte neue Süchte: die Arbeitssucht und die Internetsucht. Wie viele Menschen daran erkrankt sind, sei unklar, sagt Pospischil, es handle sich um relativ moderne Phänomene – gefördert durch steigenden Konkurrenzdruck, hervorgebracht durch Digitalisierung. Die Arbeitssucht äußere sich "zunächst positiv". Der Mitarbeiter sei engagiert und verrichte Mehrarbeit. Bei der Internetsucht "ist jemand übermäßig viel in sozialen Netzwerken unterwegs".

Langfristig würden sie sich genauso negativ auswirken wie alle Süchte, sagt der Arzt: "Die Psyche ist beeinträchtigt: Aufgaben werden nicht erledigt, es kommt zu Überforderung bis hin zu völliger Unproduktivität." (Lisa Breit, 31.10.2015)