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Bundespräsident Heinz Fischer und die kosovarische Präsidentin Atifete Jahjaga am Donnerstag in Prishtina. Der Kosovo unterzeichnete am Dienstag das EU-Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen.


Foto: AFP / Nimani

Darf er reden oder nicht? Vor dem Besuch von Präsident Heinz Fischer gestern und heute im Kosovo bedurfte es zahlreicher Interventionen, damit der Gast doch noch vor dem Parlament in Prishtina sprechen kann. Denn das kann zurzeit eigentlich niemand, weil die Opposition seit Wochen die Parlamentssitzungen mit Tränengassprühaktionen blockiert.

Sie protestiert damit gegen das Abkommen mit Serbien. Die Opposition war deshalb strikt gegen die Parlamentssitzung – und damit gegen die Rede Fischers – weil sie eine Normalisierung verhindern will. Doch am Ende lenkte sie ein, und am Mittwoch beschloss das Parlamentspräsidium blitzartig, dass der Besucher heute Früh doch sprechen kann.

EU-Abkommen ratifizieren

Auch das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen der EU und dem Kosovo soll heute bei der Sitzung ratifiziert werden. Fischer kam auf Einladung von Staatschefin Atifete Jahjaga. Die Expolizistin ist ein politisches Leichtgewicht, aber die Stimme der Internationalen Gemeinschaft, insbesondere der Amerikaner. Sie wurde indirekt von den USA ins Amt gebracht.

Jahjaga war es auch, die nun eine Lösung für die Blockade vorschlug. Das Abkommen über den Verband der serbischen Gemeinden, das am 25. August getroffen wurde, soll vom Verfassungsgericht überprüft werden. Damit will man Zeit gewinnen und derweil die Opposition zurück ins Parlament holen. Die Oppositionsparteien AAK, Nisma und Vetevensoje (Selbstbestimmung) protestieren aber auch gegen das Grenzabkommen mit Montenegro. Der Chef der Oppositionspartei AAK Ramush Haradinaj behauptet, dass die Kommission, die den Grenzverlauf feststellte, korrupt sei. Dafür gibt es zwar keine Anhaltspunkte, aber auf dem Balkan wird mit Korruptionsvorwürfen gern Politik gemacht. Nun könnte eine Kommission zur Beurteilung der Kommission gebildet werden, um auch dieses Hindernis aus dem Weg zu räumen und Zeit zu gewinnen.

Immer wieder Tränengas

Die Regierungsparteien wollen endlich weitermachen, doch seit Anfang Oktober hat bei jeder Parlamentssitzung ein Oppositioneller wieder Tränengas versprüht. Vergangene Woche retteten sich die Parlamentarier in den fünften Stock. Das Problem ist, dass selbst die Metalldetektoren die Tränengasbüchsen nicht ausmachen, weil jene, die sie mitnehmen, die Metallteile vorher abmontieren.

Der Widerstand der AAK und von Nisma, die fix damit gerechnet hatten, bei der Regierung dabei zu sein, kann als Racheakt gegen Premier Isa Mustafa gesehen werden, der in letzter Minute die Koalition mit ihnen platzen ließ. Der Protest von Albin Kurti, dem Chef von Vetvetendosje, hat allerdings ideologischen Charakter. Kurti glaubt wirklich, dass das Abkommen mit Serbien gefährlich sei, er war immer gegen jegliche Verhandlungen mit Belgrad.

Stimmung gekippt

Doch die Stimmung in Prishtina ist nun gekippt:_Bis vor zwei Wochen konnte Kurti mit seinen nationalistischen Beschwörungen und linken Theorien noch punkten, doch das Tränengas mögen die Kosovaren nicht. Denn das erinnert sie irgendwie an den Krieg.

Der Bürgermeister von Peja, Gazmend Muhaxheri, kann über "das politische Spielchen" von Haradinaj ohnehin nur lächeln. Von seinem Büro aus kann man die schneebedeckten Berge an der montenegrinischen Grenze sehen. Einige Albaner haben Land auf der montenegrinischen Seite, wo sie im Sommer ihr Vieh weiden. Auch Politiker haben dort oben Wochenendhäuser, etwa Ramush Haradinaj, allerdings auf der kosovarischen Seite, erzählt der Bürgermeister. "Das Problem ist historisch", sagt er dem Standard. "1941 haben an der Grenze viele gegen die Tschetniks gekämpft und so haben sie in Erinnerung, dass die Grenze weiter oben verlief." Der ehemalige UÇK-Führer Haradinaj würde die Grenze aber nur bestreiten, weil er zusehends an Geld und Macht verliere.

Auch 16 Jahre danach ist der Kosovo noch von Kriegsstrukturen geprägt. Im November wird über die Mitgliedschaft in der Unesco abgestimmt. Der Kosovo braucht zwei Drittel der 195 Stimmen, also 130. Anerkannt wurde der Staat bisher von 111 anderen. (Adelheid Wölfl aus Peja, 28.10.2015)