Wien – Im Fall eines wegen sexueller Belästigung von Studentinnen und Kolleginnen zu einer Geldstrafe verurteilten Wirtschaftsuniversitäts-Professors hat das Wissenschaftsministerium eine strafrechtliche Prüfung eingeleitet. Anlass dafür sei, dass in einer Anfrage des Verbandes Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) von Verfehlungen seit dem Jahr 2006 die Rede ist, heißt es aus dem Ministerium. Nun wolle das Ministerium eine "finale Klarstellung", ob die Handlungen strafrechtlich relevant waren, sagt ein Sprecher zum STANDARD.

Bei dem Verfahren vor der Disziplinarkommission des Wissenschaftsministeriums, in dem der beamtete Professor zu einer Geldstrafe von vier Monatsbezügen verurteilt wurde, war nur die Rede von Vorfällen ab dem Jahr 2010. Das Dienstverhältnis mit der Wirtschaftsuniversität (WU) konnte zum Ärger des damaligen Rektors Christoph Badelt aufgrund des Disziplinar-Erkenntnisses nicht beendet werden. Ende September einigte sich die WU mit dem Professor auf eine Karenzierung für vier Jahre ohne Bezüge.

Keine Entlassung

Der VSStÖ wollte in seiner Anfrage Ende September vor allem wissen, warum das Wissenschaftsministerium keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Disziplinarkommission eingelegt hat. Auch eine Entlassung des Professors – und nicht nur eine Geldstrafe – wäre nämlich möglich gewesen. Der Disziplinaranwalt, der im Verfahren die Rolle des Opfervertreters wahrnimmt, hat keinen Einspruch gegen die Entscheidung der Disziplinarkommission eingebracht, das Wissenschaftsministerium hätte ihm aber eine diesbezügliche Weisung erteilen können.

Das Ministerium bestätigt diese Möglichkeit zwar in einem Bericht des "Kurier", eine Rücksprache sei aber "gesetzlich nicht vorgesehen". Das Ministerbüro war dem zufolge auch nicht informiert. Die Kommission sei zwar im Ministerium als Schlichtungsstelle in Sachen Beamtendienstrecht angesiedelt ist, arbeite jedoch weitestgehend selbstständig.

Strafrechtliche Relevanz wird geprüft

Dass nun das Ministerium die Causa von der Staatsanwaltschaft Wien auf strafrechtliche Relevanz prüfen lässt, sei auf für das Ressort neue Informationen zurückzuführen, die aus der Anfrage des VSStÖ hervorgehen, wie der "Kurier" berichtet. In der Anfrage berichten die Studentenvertreter davon, dass bereits Fälle aus dem Jahr 2006 bekannt sind.

Die Anzeige zur weiteren strafrechtlichen Prüfung wurde eingebracht, "da der Verdacht, dass eine Straftat vorliegen könnte, nicht grundsätzlich auszuschließen ist und es sich bei den möglichen Tatbeständen um Offizialdelikte handelt", heißt es aus dem Ministerium, das auch die WU nun dringend um Stellungnahme dahin gehend ersucht, ob die Übergriffe aus dem Jahr 2006 bemerkt wurden und wenn ja, warum keine Aktionen gesetzt wurden.

VSStÖ erfreut

Die WU habe noch keine Anfrage aus dem Wissenschaftsministerium erhalten, sagt eine Sprecherin zum STANDARD. Deshalb wisse man auch noch nicht genau, wozu man Stellung nehmen solle. Die Universität habe aber geprüft, ob eine Strafanzeige möglich und nötig sei, dies sei aber nicht der Fall gewesen. Im Wissenschaftsministerium will man diesbezüglich nun eine finale Klarstellung und lässt den Sachverhalt von der Staatsanwaltschaft prüfen.

Ob "in heiklen Fällen" oder "bei relativ harten Urteilen" eine weitergehende Auskunftspflicht seitens des Verfahrensanwalts besteht, erfragt das Wissenschaftsministerium nun von der für das Beamtendienstrecht zuständigen Staatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ).

Ein Sprecher des VSStÖ zeigt sich einer ersten Reaktion im Gespräch mit dem STANDARD erfreut über die Anzeige. "Unserer Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt. Nun erkennt wohl auch das Wissenschaftsministerium den Ernst der Lage." Das Ziel der Studentenvertreter sei es, dass der Professor nie wieder an einer Universität lehren dürfe. (APA, red, 28.10.2015)