Wolfsburg – Der Abgasskandal hat Volkswagen den ersten Quartalsverlust seit mindestens 15 Jahren eingebrockt. Der Wolfsburger Konzern wies am Mittwoch für den Zeitraum Juli bis September einen Betriebsverlust (Ebit) von rund 3,5 Milliarden Euro aus. Vor einem Jahr hatte noch ein Gewinn von 3,3 Milliarden Euro zu Buche gestanden. Auch unter dem Strich ist das Ergebnis mit minus 1,7 Milliarden Euro tiefrot.
Die Rückstellungen für die millionenfachen Rückrufe von Dieselfahrzeugen wegen der Manipulation von Abgaswerten stockte Volkswagen leicht auf 6,7 Milliarden Euro auf. Im September hatte der Konzern die Summe von 6,5 Milliarden Euro genannt.
Wegen der Belastungen musste der Vorstand um den neuen Konzernchef Matthias Müller die Jahresziele anpassen: Das operative Ergebnis des Konzerns und des Bereichs Pkw werde 2015 deutlich unter dem des Vorjahres liegen. Die operative Rendite des Konzerns solle vor Sondereinflüssen zwischen 5,5 und 6,5 Prozent liegen, die des Bereichs Pkw zwischen 6 und 7 Prozent. Bisher hatte Volkswagen diese Spanne ohne Herausrechnung von Sonderbelastungen in Aussicht gestellt.
Juristische Aufarbeitung startet
Europas größter Autokonzern hatte Mitte September eingeräumt, mit einem Computerprogramm die Abgaswerte bei Dieselwagen manipuliert zu haben. Es drohen Milliardenkosten für Rückrufe und wegen Strafzahlungen und Klagen.
Unterdessen nimmt die juristische Aufarbeitung des Abgasskandals Fahrt auf. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig leitete gegen mehrere Mitarbeiter des Autobauers Ermittlungsverfahren ein. Das sagte eine Sprecherin der Behörde am Dienstag und bestätigte damit einen Bericht der Branchenzeitung "Automobilwoche".
Bisher hatte es zwar ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Betrug gegeben, zunächst jedoch ohne konkrete Beschuldigte. Über die Identität der Beschuldigten wollte die Sprecherin keine Angaben machen, es gehe allerdings nicht um die erste Führungsriege des Konzerns. Das Verfahren könne sich aber noch ausweiten. Anfang Oktober hatten die Ermittler bei einer Razzia in der Wolfsburger Konzernzentrale Unterlagen und Datenträgern beschlagnahmt.
Fünf-Punkte-Plan
Der neue Volkswagen-Chef Matthias Müller will den Autobauer indessen mit einem Fünf-Punkte-Plan fit machen für die Herausforderungen des Abgasskandals. Höchste Priorität genieße dabei die Hilfe für Besitzer manipulierter Diesel-Autos, sagte der Manager am Mittwoch per Mitteilung, die einer Telefonkonferenz vorausging. Die ersten Rückrufe sollen im Jänner 2016 starten.
Punkt zwei sei die Aufklärung der Manipulationen. "Wir müssen die Wahrheit herausfinden und daraus lernen", erklärte Müller. An dritter Stelle folge der Konzernumbau und das Sparprogramm. "Der Kernpunkt ist: Unser Konzern wird künftig dezentraler geführt", sagte Müller und wiederholte damit Pläne, die VW bereits bekanntgegeben hatte. Marken und Regionen sollen eigenständiger agieren können. Zudem komme die Gewinnkraft aller gut 300 Fahrzeugmodelle auf den Prüfstand.
Vieles untergeordnet
Punkt vier seien die Arbeitsatmosphäre und das Führungsverständnis im Unternehmen. Müller betonte: "Wir brauchen eine Kultur der Offenheit und der Kooperation." Er forderte im kollegialen Umgang miteinander zudem mehr Mut, mehr Kreativität und auch mehr Unternehmertum.
An fünfter Stelle verwies der Vorstandsvorsitzende auf den Ausbau der bisherigen Ziele für das Jahr 2018. Sie sollen zur "Strategie 2025" werden. "Dem "Höher, Schneller, Weiter" wurde vieles untergeordnet, vor allem die Umsatzrendite", sagte Müller mit Blick auf die Rivalen Toyota und General Motors. Wichtiger als 100.000 Fahrzeuge mehr oder weniger als die Konkurrenz zu verkaufen, sei "qualitatives Wachstum". Mitte nächsten Jahres will Müller die "Strategie 2025" vorstellen.
Spanien leitet Verfahren ein
Im Skandal um manipulierte Abgaswerte hat der spanische Staatsgerichtshof indessen ein Verfahren gegen Volkswagen eingeleitet. Der deutsche Autobauer müsse dem zuständigen Richter bis zum 10. November einen Vertreter nennen, gegenüber dem die Anschuldigungen vorgebracht werden könnten, geht aus den am Mittwoch veröffentlichten Unterlagen des Gerichts "Audiencia Nacional de Espana" hervor. Die spanische Staatsanwaltschaft hatte kürzlich erklärt, VW habe möglicherweise unrechtmäßig Subventionen erhalten sowie womöglich gegen Umweltschutzgesetze verstoßen. (APA, 28.10.2015)