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Jean-Claude Juncker bei einem Hearing des Taxe-Ausschusses im September.

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Der Informant hinter Luxleaks: Antoine Deltour. Das EU-Parlament will den Schutz für Whistleblower verbessern.

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Wien – Die EU ist in ihrem Kampf gegen unlauteren Steuerwettbewerb einen Schritt weitergekommen. Der Taxe-Ausschuss des EU-Parlaments untersucht seit Februar den sogenannten Luxleaks-Skandal. Ins Rollen kam die Affäre, nachdem einigen Medien tausende Seiten an vertraulichen Steuerunterlagen aus Luxemburg zugespielt wurden. Die Dokumente haben belegt, dass Konzerne wie Ikea die Gesetze im Großherzogtum jahrelang nutzten, um kaum oder keine Steuern auf ihre Gewinne zahlen zu müssen.

Der Taxe-Ausschuss hat Montagabend seinen Endbericht zu der Causa beschlossen. Die Debatte war langwierig, weil es zu dem Entwurf für den finalen Text 1.047 Abänderungsanträge gab.

Zu den mit Spannung erwarteten Fragen zählte, wie hart die Abgeordneten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angreifen werden. Die Unterlagen zu Luxleaks beziehen sich auf den Zeitraum zwischen 2002 und 2010. Das ist brisant, weil der Luxemburger Juncker in dieser Zeit Finanzminister und Premier seines Heimatlandes war.

Juncker soll nicht schuld sein

Im Endbericht des Ausschusses wird Juncker keine Verantwortung für den Skandal gegeben. Kritischere Passagen über den Kommissionschef wurden von seinen Parteifreunden in der Europäischen Volkspartei abgeblockt, erzählt die SPÖ-Abgeordnete Evelyn Regner, die im Taxe-Ausschuss sitzt. Allerdings hat die Zurückhaltung nicht nur parteipolitische Motive. Die EU-Kommission versucht die Mitgliedsländer derzeit auf eine gemeinsame Position in der Flüchtlingskrise einzuschwören. Jetzt Juncker anzupatzen empfinden viele Abgeordnete als heikel.

Viele Luxemburgs in Europa

Der zweite Grund für den vorsichtigen Umgang mit ihm betrifft die Natur des Steuerskandals. Die Kernaussage des Taxe-Berichts lautet, dass Luxemburg kein Einzelfall ist. Im Zentrum des Luxleaks-Skandals standen Steuervorbescheide. Mit ihnen sicherten Behörden Konzernen im Vorhinein zu, komplexe Firmenkonstrukte anzuerkennen. Konzerne wie Pepsi oder Disney drückten damit ihre Steuerlast nicht selten unter ein Prozent.

Diese schädliche Praxis gab und gibt es in fast allen EU-Landern, sagt der EU-Abgeordnete Michael Theurer von der FDP. Deshalb kommt im Text der Parlamentarier neben Luxemburg kein anderes Land namentlich vor – die Niederlande werden nur in Fußnoten kritisch erwähnt.

Weil kein Land allein schuld ist, fordern die Abgeordneten eine gesamteuropäische Lösung. So sollen Firmen künftig veröffentlichen müssen, in welchem Land sie wie viel Gewinn erwirtschaftet haben und wie viel Steuern bezahlt wurden. Damit soll der Druck auf schwarze Schafe steigen. Die EU-Kommission steht in diesem Punkt auf der Bremse.

Besserer Schutz für Informanten

Gefordert wird auch ein besserer Schutz für Informanten oder Whistleblower. Die Luxleaks-Affäre kam durch einen jungen Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfer von PwC ins Rollen: Antoine Deltour. Der Luxemburger entwendete die Dokumente über die Steuertricks der Multis. In Luxemburg läuft ein Strafverfahren gegen ihn. Die EU-Abgeordneten schlagen die Schaffung einer EU-Behörde mitsamt eines paneuropäischen "Whistleblower-Fonds" vor. Aus dem Fonds könnten in einem Fall wie dem von Deltour die Anwaltskosten bezahlt werden. Ebenfalls wird ein europaweites System gefordert, um Körperschaftssteuern für Unternehmen zu berechnen. Eine Forderung, die von der EU-Abgeordneten Regner ebenso wie von ihrem Kollegen Othmar Karas (ÖVP) unterstützt wird. Derzeit gelten in allen Ländern andere Regelungen.

Die Steuerexpertin Tove Maria Ryding hat für die NGO Eurodad die Arbeit des Taxe-Ausschusses in Brüssel beobachtet. Ist sie mit dem Endbericht zufrieden? "Ein Anfang ist gemacht", sagt Ryding. Das Parlament sei die erste EU-Institution, die sich des Luxleaks-Skandals angenommen habe. Viele Fragen bleiben aber noch ungeklärt, meint die Expertin. So verweigern etwa Länder wie Luxemburg und die Niederlande weiterhin Einsicht in offizielle Dokumente über ihre Steuerpraktiken.

Auch der deutsche Grünen-Politiker Sven Giegold spricht von offenen Fragen: Er will ein neues Mandat für den Ausschuss im November, um auch klären zu können, wer die politische Verantwortung für die Steuertricks in Europa trägt. Die Liberalen unterstützen diesen Vorschlag.

Fix ist eine Verlängerung für Taxe ohnehin: Unternehmen wie Facebook und Ikea haben die Aussage vor dem Ausschuss verweigert, was zu einem heftigen Streit mit dem EU-Parlament führte. Die Abgeordneten haben sogar damit gedroht, diesen Firmen die Zugangsberechtigung zu ihren Gebäuden zu entziehen. Google, Facebook und Ikea sollen nun doch bereit sein, Mitte November zu einer nachträglichen Anhörung zu kommen. Kurz darauf soll das Plenum des EU-Parlaments den Taxe-Bericht absegnen. (András Szigetvari, 27.10.2015)