Ankara/Wien – Ahmet Davutoglu, der Chef der türkischen Übergangsregierung, hat sein Fernsehpublikum mit Aussagen über Angriffe auf die Kurden in Syrien verwirrt, aber doch eine politisch weitreichende Festlegung getroffen: Westlich des Euphrat, im syrischen Kriegsgebiet, toleriert die Türkei keine Präsenz der Demokratischen Unionspartei PYD und ihres militärischen Flügels YPG. Diese werden allerdings sowohl von den USA wie von Russland unterstützt.

"Wir haben gesagt: ‚Westlich des Euphrat wird die PYD nicht passieren. Überschreitet sie diesen Punkt, greifen wir an.‘ Zweimal haben wir angegriffen", erklärte Davutoglu am Montagabend in einem Interview mit A-Haber, einem der regierungsfreundlichen Sender in der Türkei. "Ein syrischer Hubschrauber wurde vergangenes Jahr abgeschossen. Ein unbemanntes Flugzeug wurde beim Überflug getroffen", fuhr Davutoglu fort, um offenbar zwei Beispiele für eine militärische Antwort der Türkei an der Grenze zu Syrien anzuführen. Zeit und Ort der beiden Angriffe auf die kurdischen Rebellen in Syrien nannte der Premier jedoch nicht, was den Zuschauern leicht entgangen sein konnte. Der Abschuss des Militärhubschraubers, den Davutoglu erwähnte, war zudem erst im Mai dieses Jahres erfolgt, kurz vor den Parlamentswahlen in der Türkei, nicht 2014. Die diesen Monat abgeschossene Drohne dürfte wiederum dem russischen Militär in Syrien gehört haben.

Unterstützung der USA und Russlands

Westlich des Euphrat auf syrischem Gebiet liegt die Grenzstadt Jarablus. Von dort bis weiter westlich zum syrischen Städtchen Azaz – etwa 90 Kilometer Luftlinie – soll sich die Pufferzone erstrecken, für deren Einrichtung die türkische Führung seit langem plädiert. Nach den Vorstellungen Ankaras soll diese Zone von Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) kontrolliert werden, keinesfalls von den Kurden. Weitere Gebietsgewinne der PYD, die bereits zwei Drittel der syrisch-türkischen Grenzlinie beaufsichtigt, will die Türkei keinesfalls hinnehmen.

Weil die syrischen Kurden mit der türkischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbündet sind, bezeichnet Ankara die PYD und deren Miliz YPG ebenfalls als Terrororganisationen. Die US-Regierung lehnt dies jedoch ausdrücklich ab. Sie unterstützt die syrischen Kurden mit Waffen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Seit dem Besuch von PYD-Chef Salih Müslim in Moskau im vergangenen August und dem Beginn der russischen Militärintervention in Syrien ist die türkische Führung noch nervöser geworden.

Zwei Angriffe durch die türkische Armee meldete jüngst die Kurdenmiliz YPG: am 24. und 25. Oktober bei Tel Abyad. Die Grenzstadt liegt östlich des Euphrat. (Markus Bernath, 27.10.2015)