Eineinhalb Jahre nach der Debatte über Missstände und Probleme im Strafvollzug hat Justizminister Wolfgang Brandstetter (VP) das mit Experten erarbeitete Lösungskonzept präsentiert. Der Maßnahmenvollzug soll vom normalen Vollzug getrennt, Haftkapazitäten erweitert und der Jugendstrafvollzug weiter verbessert werden. Zur Finanzierung wird gemeinsam mit der BIG eine "Standortoptimierung" erarbeitet.

Jetzt könnten "die Weichen gestellt werden für die nötige nachhaltige Reform" – die wohl erst in zehn Jahre ganz umgesetzt sein wird, sagte Brandstetter am Dienstag vor Journalisten. Seine Vorhaben präsentierte er gemeinsam mit Erich Mayer, dem Generaldirektor für den Strafvollzug. Seit 1. Juli leitet dieser die wieder im Ministerium angesiedelte Generaldirektion, eine der ersten Maßnahmen Brandstetters, um den "in der Krise" steckenden Vollzug zu verbessern.

Kein frisches Steuergeld

Frisches Steuergeld "brauchen wir vorläufig nicht", hatte der Justizminister eine gute Nachricht für den Finanzminister und die Steuerzahler. Geplante Sanierungen und Umbauten etwa in Hirtenberg und Simmering habe man über die Auflösung von Rücklagen finanziert. Für die geplanten Verbesserungen und auch den (im Regierungsprogramm angekündigten) Neubau einer Justizanstalt im Großraum Wien will er Einsparungspotenziale im eigenen Bereich heben.

Sein "zentraler Ansatz" dafür ist die "Standortoptimierung" gemeinsam mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Alternative Finanzierungsmodelle werden überlegt, es sollen aber auch "Standorte, die man heute nicht mehr wählen würde", aufgelassen werden. Welche verriet Brandstetter nicht, auch keine Details zur neuen Wiener Justizanstalt. Denn die Gespräche mit der BIG stünden erst am Anfang.

Ein "Grundpfeiler" der Reform ist die völlig getrennte Unterbringung der – derzeit rund 800 – geistig abnormen oder entwöhnungsbedürftigen Straftäter in letztlich fünf Therapeutischen Zentren. Die bestehenden Sonderanstalten Göllersdorf und Wien-Mittersteig sollen nach dem Vorbild des "Vorzeigemodells" Asten ausgebaut werden, Asten mit seinem erweiterten sozialtherapeutischen Konzept wird zum eigenständigen (nicht mehr als Außenstelle Linz geführten) Therapeutischen Zentrum. Auf justizeigenen Liegenschaften sollen zwei weitere Zentren errichtet werden, damit in Summe 600 bis 650 Plätze für den Maßnahmenvollzug zur Verfügung stehen. Rund 100 bis 150 Plätze für schwere Akutfälle werde man aber weiter in Klinken brauchen.

Eigene Leitung

Dauern wird das "einige Jahre", in der Übergangszeit wird in Garsten, Stein und Graz-Karlau der Maßnahmenvollzug "herausgelöst" – in eine eigene Abteilung mit eigener Leitung und eigens ausgebildeten Beamten, berichtete Mayer. Da in diesen Einrichtungen eigens ausgebildetes Betreuungspersonal eingesetzt wird, würden damit auch Personalkapazitäten für den "normalen" Strafvollzug frei.

Denn dort steht man wegen der stark gestiegenen Schlepperkriminalität wieder einmal vor dem Problem des Überbelags. Seit einigen Monaten gibt es mehr als 9.000 Häftlinge, während es 2014 durchschnittlich 8.700 bis 8.850 waren. Um dies auszugleichen, aber auch Ausweichmöglichkeiten für die geplanten Baumaßnahmen zu haben, will Brandstetter bis zu 200 neue Haftplätze schaffen: 21 in der kurz vor der Eröffnung stehenden neuen Justizanstalt Salzburg, 20 in der umgebauten Justizanstalt Eisenstadt (bis Frühjahr 2016) und bis Ende 2017 94 mit der Sanierung der JA Wien-Simmering und 85 in Hirtenberg durch eine Aufstockung.

Ob man im Jugendstrafvollzug neue Plätze braucht und deshalb die Justizanstalt Gerasdorf ausgebaut wird, wird erst später entschieden: Denn die Reform des Jugendstrafrechts zielt darauf ab, möglichst wenig Jugendliche in Haft zu nehmen. Ob sie wirkt, wird sich im Lauf des nächsten Jahres zeigen. Jedenfalls sollen die Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten weiter verbessert werden – und das nicht nur für Jugendliche. Mit einer eigenen Internet-Plattform will Brandstetter die von Häftlingen hergestellten Waren und angebotenen Dienstleistungen besser vermarkten.

Vor einem drohenden "Kollaps" – wie die Justizwachegewerkschaft vor Kurzem meinte – sieht das Ministerium den Strafvollzug nicht. "Keine Rede" könne davon sein, meinte Brandstetter. Die Situation sei zwar z.B. in Eisenstadt wirklich schwierig gewesen, aber dank des großen Einsatzes der Justizwachebeamten sei es nicht zum Kollaps gekommen. Mittlerweile habe man die Schlepperei-bedingten "Lasten" verteilt, die Lage sei ziemlich ausgeglichen, berichtete Mayer. Neue Planstellen fordert Brandstetter nicht. Das Problem sei derzeit, die bereits ausverhandelten 100 neuen Stellen zu besetzen, müsse das Strafvollzugspersonal doch speziell ausgebildet werden. (APA, 27.10.2015)