Der Hang zum Ja-Sagen stammt aus der Kindheit. Laut einer britischen Studie hört ein Kind am Tag 449 Bemerkungen, davon nur 37 positive. Gerügt wird ein Kind, wenn es seinen eigenen Bedürfnissen folgt: Wenn es weint, vor Wut strampelt oder trotzig ist. Dagegen wird es belohnt, wenn es Ja zu Anforderungen von außen und Nein zu eigenen Bedürfnissen sagt: Es hat keinen Hunger, aber isst den Teller leer. Dafür wird es angelächelt, gelobt und geliebt.

Diese Lektion wirkt ein Leben lang nach: Viele Berufstätige sagen reflexhaft "Ja", versprechen sich davon Erfolg und Anerkennung. Aber stimmt das? Nein, erfolgreich sind nicht Kopfnicker, sondern gut Abgegrenzte. Kein Chef der Welt kann es sich erlauben, zu allen Gehaltsforderungen, Urlaubswünschen und Rabattforderungen Ja zu sagen. "Nein" ist die Vokabel der Mächtigen, der Erfolgreichen, der Zielbewussten.

Selbstbestimmt statt ja, ja

Ein Nein an der richtigen Stelle verschafft Respekt und Ansehen – und es verhindert, dass ein Individuum abrutscht in ein fremdbestimmtes Leben, in Frust, Burnout und Depression. Aber wie reagieren, um nicht in die Ja-Falle zu tappen? Erstens sich Zeit nehmen statt reflexhaft antworten. Zweitens in sich horchen: Will ich diese Arbeit noch für heute annehmen? Drittens das Problem, das abends noch auf dem Schreibtisch landen will, beim Absender lassen. Gerade sensible Menschen neigen dazu, ein Nein für unsozial zu halten. Schließlich müsste dann der Chef die Arbeit selbst verrichten oder einen Kollegen dazu verdonnern. Aber wer hat eigentlich die Schwierigkeit? Die Firma. Und wer muss sie folglich lösen? Die Firma. Vielleicht ist die Personaldecke zu dünn. Das erkennt die Firma nur, wenn das Problem bei ihr belassen wird.

Ein berufliches Nein muss klar sein, also ohne Entschuldigung. Wer "sorry" sagt und beteuert, dass ihm seine Absage "schrecklich leid" tue, bringt sich in den Tiefstatus; eine Entschuldigung setzt immer "Schuld" voraus. Erfolgreicher ist ein Nein, wenn man es freundlich, aber mit tiefer Stimme und ohne rhetorischen Kniefall ausspricht.

Nicht wanken und relativieren

Sprachliche Weichmacher gilt es zu meiden: Wer "eigentlich nein" sagt, hat damit "Ja" gesagt. Ähnlich gefährlich sind Konjunktive, etwa: "Heute Abend würde ich gern pünktlich gehen." Hier wittern hartnäckige Rhetoriker Unsicherheit, haken ein und kriegen ihr Gegenüber doch noch rum.

Und wie steht es mit der Begründung für ein Nein? Je detaillierter die Begründung, desto mehr Ansätze zum Nachfassen bietet sie: "Ihre Freunde wollen Sie treffen? Das geht doch auch noch morgen!"

Besser ist es, das Nein mit einer unkonkreten Ich-Aussage zu begründen: "Ich habe den Abend anders verplant." Falls der Gesprächspartner hartnäckig bleibt, kann man eine solche Begründung mehrfach wiederholen. Diese Technik nennt sich "Gesprungene Schallplatte" und entmutigt sogar penetrante Manipulatoren. Nicht nur die bessere Rhetorik setzt sich durch, sondern auch die stärkeren Nerven.

Aber hat man es sich durch das Nein nicht mit dem Chef verscherzt? Wohl kaum, denn heimlich ziehen Vorgesetzte ihren Hut, wenn jemand die eigenen Interessen so gut wahrt. Das qualifiziert sogar für Führungsaufgaben. "Nein" ist eine Chef-Vokabel.

Ein klares Nein ist eine Chef-Vokabel
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Fünf schwierige Situationen zum Nein-Sagen

Wann ist im Job ein klares Nein gefragt? Wie gehen Sie am klügsten vor?

  • Unerwünschte Dienstreise: Sagen Sie Nein, indem Sie eine gute Alternative aufzeigen und den Vorteil für die Firma betonen: "Gerne werde ich dieses Gespräch führen – per Videokonferenz. Das schont den Reiseetat. Und mir bleibt mehr Zeit, das Projekt hier im Haus zu koordinieren."
  • Delegierter Arbeitsberg: Blasen Sie gegenüber dreisten Kollegen, die Ihnen Arbeiten auf den Schreibtisch schieben, einfach zum Gegenangriff: "Mein Schreibtisch ist voll, ich kann nicht mehr annehmen. Aber du könntest mich unterstützen durch …" Schon fliehen die Angreifer.
  • Unerwünschte Beförderung: Bedanken Sie sich für das Angebot – und lehnen Sie ab mit einer subjektiven Begründung: "Vielen Dank für Ihr Angebot, das werte ich als Anerkennung meiner bisherigen Arbeit. Und genau diese Fachaufgabe möchte ich fortsetzen, weil sie meinen Stärken entspricht. Management-Tätigkeiten machen mir keine Freude. Deshalb lehne ich ab."
  • Halsbrecherischer Termin: Sagen Sie deutlich, was machbar ist und was nicht: "Das Projekt ist nicht bis zum Monatsende zu schaffen. Mein Team braucht dafür 45 Tage." Nötigenfalls nennen Sie Bedingungen, unter denen der Termin zu halten wäre: "Um es in 30 Tagen zu schaffen, brauche ich zwei Mann Verstärkung."
  • Betrug am Kunden: Wenn Sie Kunden windige Zusagen machen sollen, können Sie sich auf Ihre persönlichen Prinzipien berufen: "Es ist mir wichtig, ehrlich gegenüber Kunden zu sein und langfristig mit Ihnen zu arbeiten. Deshalb lehne ich diese windigen Zusagen ab." Persönliche Prinzipien sind nicht anfechtbar. (red, 27.10.2014)