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Robert Almer tröstet den Rapidler Philipp Prosenik, Torschütze Kevin Friesenbichler wirkt desinteressiert.

Foto: APA/Punz

Wien – Thorsten Fink hat am Sonntagnachmittag ein Zeichen gesetzt. Es war in der 86. Minute, das Derby stand 1:1, Rapid drängte im Happel-Stadion auf die Entscheidung. Austrias Trainer wollte das so nicht akzeptieren, wechselte den 21-jährigen Stürmer Kevin Friesenbichler ein. Er sagte noch "geh rein und schieß ein Tor". Friesenbichler ging rein und schoss es in der 89. Minute. Wobei Fink sich nicht als Hellseher bezeichnen würde. "Das sage ich jedes Mal zu jedem. Meistens funktioniert es nicht."

Das 315. Wiener Derby hat die Austria also mit 2:1 für sich entschieden. Es gibt ausreichend Argumente und Statistiken, die belegen, dass es ein verdienter Sieg gewesen ist. 60 Prozent gewonnene Zweikämpfe, mehr Torschüsse (15 zu 12), weniger Ballbesitz (45 zu 55 Prozent), was allerdings dem Spielverlauf geschuldet war. Fink: "Es kommt immer drauf an, welche Zweikämpfe du für dich entscheidest. Es dürften aber die wichtigen dabei gewesen sein."

Fußballer-Dynastie

Derbys haben eigene Gesetze und spezielle Helden. Friesenbichler, Sohn von Bruno und Neffe von Günter (steirische Fußballer-Dynastie), ist der aktuelle. Erster Bundesligatreffer, nicht irgendeiner, "sondern einer, der mir immer in Erinnerung bleiben wird". Steilpass von Olarenwaju Kayode, Friesenbichler trifft in die kurze Ecke. Rapids Keeper Richard Strebinger schämte sich, sagte mehrmals, "den hätte ich halten müssen".

Friesenbichler nahm Strebinger in Schutz. "War sehr scharf." Die Gefühle seien jedenfalls "unbeschreiblich" gewesen. "Was soll ich erzählen, man muss es selbst erleben." Die Austria hat ihn von Benfica Lissabon ausgeliehen, für den portugiesischen Kultklub ist Friesenbichler nie im Einsatz gewesen. Er wurde 2014 sofort nach Polen an Lechia Gdansk weitergereicht. Dort hat er in 16 Partien fünfmal getroffen. Er ist noch drei Jahre an Benfica gebunden, die Austria besitzt allerdings eine Kaufoption. Fink ist froh, "einen wie Friesenbichler in der Hinterhand zu haben".

Richtiger Weg

Im August hatte die Austria das 314. Derby mit 2:5 verloren. Fink hält die Steigerung für keinen Zufall. "Es war klar, dass wir Zeit benötigen, um uns zu finden. Jetzt haben wir uns selbst bewiesen, auf dem richtigen Weg zu sein." Der Umkehrschluss, dass Rapid auf dem falschen ist, mag stimmen und auch nicht. Fakt ist: Von den jüngsten sieben Ligapartien wurden fünf verloren. Normalerweise ist die Bezeichnung "Krise" in so einem Fall eine Untertreibung. Aus einem Vorsprung von acht Zählern auf Red Bull Salzburg ist ein Rückstand von fünf geworden. Fink sagte trotzdem: "Rapid ist eine sehr, sehr gute Mannschaft. Es ist alles nur eine Momentaufnahme. Jetzt geht es uns gut." Der Deutsche führte den Sieg nicht nur, aber auch auf die Doppelbelastung des Gegners zurück. "Sie hatten Europa League, wir Zeit."

Rapids Trainer Zoran Barisic zuckt bei dem Wort "Doppelbelastung" innerlich aus. Wohl wissend, dass die mit Aufwand betriebenen Erfolge in Europa mit ein Grund für die Misserfolge in Österreich sind. Er sagt es aber nicht. In der ersten Stunde gelang Rapid wenig, erst das 0:1, ein Eigentor von Maximilian Hofmann, war ein Weckruf. Nach dem Ausgleich durch Philipp Prosenik (74.), der in der 59. Minute den erneut schwachen Matej Jelic ersetzt hatte, wollte Rapid mehr und zu viel. Das lag an einer leichten Selbstüberschätzung. Barisic: "Unsere Mentalität ist halt, immer gewinnen zu wollen. Die 32.200 Fans verdienen diese Einstellung."

Die Austria ist nun punktgleich mit Salzburg Zweiter. Friesenbichler sagte: "Wir wollen sie lange ärgern. Der Zusammenhalt in unserer Mannschaft ist großartig." Rapid empfängt am Mittwoch im Cup-Achtelfinale Austria Salzburg. Der Zweitligist spekuliert mit der Doppelbelastung. Barisic: "Ich kann es nicht hören." (Christian Hackl, 26.10.2015)