Dreimal hat die Regierung den Arbeitsmarktgipfel verschoben. Aus Anfang Juni wurde Juli, dann hieß es, er komme "irgendwann" im September. Vergangene Woche verkündete man: Die Regierungsspitze werde am 30. Oktober mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern über die Lage am Jobmarkt beraten. Der Termin kam vergangene Woche noch einmal ins Wanken, weil einige Teilnehmer mit Terminkollisionen zu kämpfen hatten. Das Problem wurde gelöst, diesen Freitag soll es wirklich so weit sein.

Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AFP/SIMICEK

Wer die Verschiebungen nicht als chaotisch interpretieren will, kann sie als Zeichen dafür deuten, wie groß die Probleme am Arbeitsmarkt sind. Die Arbeitslosigkeit stieg im September erneut an. 322.000 Menschen finden keinen Job, 69.000 sind in AMS-Schulungen. Die große Unbekannte ist, wie sich die Flüchtlingskrise auf den Jobmarkt auswirkt. Seit Jahren wird über den Arbeitsmarktzugang von Asylwerbern gestritten.

Wenig Chancen auf legale Arbeit

Aktuell haben Asylsuchende kaum Möglichkeiten, legal Arbeit zu finden, es sei denn im Gastgewerbe oder in der Landwirtschaft. Hier zeichnet sich Bewegung für den 30. Oktober ab. Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer verlangen seit Wochen eine Öffnung des Arbeitsmarkts. Bei der Gewerkschaft ist man offen dafür, wie Manfred Anderle, Bundessekretär bei der mächtigen Produktionsgewerkschaft sagt. Bei den Sozialpartnern ist das Thema eigentlich bereits außer Streit gestellt: 2011 hat man sich in Bad Ischl darauf verständigt, den Arbeitsmarkt für Asylwerber sechs Monate nach ihrem Antrag zu öffnen. Wobei "öffnen" ein relativer Begriff ist.

Als Vorbild dient eine Regelung in Deutschland, wo Asylsuchende nach drei Monaten eine Beschäftigung aufnehmen dürfen, wenn sich für einen Job kein Deutscher und kein EU-Bürger findet. Bisher war es Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), der bei dem Thema bremste. Was sich geändert hat? "Die Wien-Wahl ist geschlagen", sagt Anderle, das könnte eine Einigung erleichtern.

Herausforderungen

Allerdings ist der Arbeitsmarktzugang nicht die größte Bewährungsprobe. Im Schnitt dauert ein erstinstanzliches Asylverfahren derzeit fünf Monate. Die langfristig wichtige Frage ist daher, ob es gelingt, Flüchtlinge mit Bleiberecht zu integrieren. Anerkannte Flüchtlinge sind Inländern am Arbeitsmarkt gleichgestellt. Das Innenministerium erwartet mehr als 80.000 Asylanträge heuer. Angesichts dieser Zahl ergeben sich drei Herausforderungen:

  • Die Flüchtlinge werden für mehr Wettbewerb am Arbeitsmarkt sorgen. "Besonders schlecht ausgebildete Migranten, die schon hier sind, fürchten ausgetauscht zu werden", sagt der Gewerkschafter Anderle. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Probleme für Neoösterreicher und solche, die nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen, bereits unabhängig von der Flüchtlingskrise bedrohliche Ausmaße angenommen haben. Fast jeder Vierte mit Pflichtschulabschluss ist arbeitslos. Die Gründe dafür sind vielfältig: Neben der schwachen Konjunktur verlangen Arbeitnehmer auch ganz allgemein höhere Qualifikationen von ihren Mitarbeitern. Wifo-Experte Helmut Mahringer fordert deshalb eine neue Bildungsoffensive der Regierung – für Flüchtlinge wie für Österreicher.

Mangelnde Sprachkenntnisse als Hindernis

  • AMS-Chef Johannes Kopf erwartet dennoch, dass primär Flüchtlinge selbst das Problem der hohen Arbeitslosigkeit zu spüren bekommen werden. "Es wird für sie wegen der mangelnden Sprachkenntnisse, wegen kultureller und religiöser Unterschiede nicht leicht, Anschluss zu finden", sagt Kopf. Hinzu kommt, dass Flüchtlinge aus Syrien nicht über die sozialen Netzwerke verfügen, die ihnen die Orientierung erleichtern, so Kopf. Seine Forderung daher: Es müsse massiv in Deutschkurse investiert werden, und zwar bereits ab dem Tag des Asylantrags. Wichtig wäre es zudem, zu Beginn des Asylverfahrens Qualifikation abzufragen. Die Idee dahinter: Ein Koch aus Syrien könnte gleich in Tirol untergebracht werden, wo dies ein Mangeljob ist.
  • Die dritte Unbekannte ist die Lohnentwicklung. Bei der Gewerkschaft fürchtet man, dass es zu Lohndumping kommt, Kollektivverträge könnten dies nicht verhindern. Auch hier würde sich aber nur eine bestehende Tendenz verstärken: Die Reallöhne in Österreich sind seit Jahren stagnierend bis rückläufig. (András Szigetvari, 27.10.2015)