Nach dem Schulattentat im westschwedischen Trollhättan in der vergangenen Woche geht in Schweden die Angst um. Laut Berichten des Schwedischen Rundfunks registriert die Polizei vermehrt Drohungen, deren Absender sich von der Tat offenkundig inspiriert fühlen. Der 21-jährige Anton Lundin Pettersson hatte seine Opfer gezielt nach deren dunkler Hautfarbe ausgewählt.

Erlebt das Land eine neue Welle der Gewalt, vergleichbar der in den 1990er Jahren? Auch damals, als viele Flüchtlinge aus dem Balkan kamen, machten Rechtsextreme Jagd auf Migranten. Und auch damals brannten Asylunterkünfte.

In den letzten Tagen waren mehrere geplante Unterkünfte in Flammen aufgegangen; aus einem bewohnten Heim konnten sich die Menschen rechtzeitig retten. Inzwischen hält man geplante Standorte vielerorts geheim. Über die Täter ist noch nichts bekannt. Die Rechtsextremismus-Expertin Helene Lööw warnte im Schwedischen Fernsehen aber vor übereilten Schlüssen: Beim Gros der in den 1990er Jahren verurteilten Brandstifter habe es sich um politisch nicht organisierte, familiär wie beruflich gut verankerte Menschen gehandelt. Rechtfertigung für ihre Taten bezogen sie offenbar aus einem zunehmend polarisierten Gesellschaftsklima mit wachsender Fremdenfeindlichkeit. Im heutigen Schweden zeigen sich beunruhigende Parallelen.

Mehr Anzeigen gegen Hass

So wurden 2014 laut dem Rat für Kriminalitätsbekämpfung knapp 6300 sogenannte Hassverbrechen angezeigt – so viele wie noch nie. Den stärksten Anstieg, auf jetzt acht Prozent der Anzeigen, verzeichnen zwar christenfeindliche Delikte. Für die große Mehrzahl steht mit 69 Prozent aber nach wie vor Fremdenhass.

Mit dem Zustrom von Asylbewerbern in jüngster Zeit hat sich vielerorts zumal im Internet die Hass-Rhetorik verstärkt. Kein anderes EU-Land hat gemessen an der Bevölkerungszahl so viele Schutzsuchende aufgenommen wie Schweden. Eine Änderung dieses Kurses, den der damalige konservative Regierungschef Fredrik Reinfeldt im letzten Jahr als den einer "humanistischen Großmacht" beschrieb, forderten im Parlament bis vor kurzem nur die rechten Schwedendemokraten. Unter den etablierten Parteien galt ein Umschwung trotz wachsender Integrationsprobleme als tabu.

Mehrheit befürwortet neuen Kurs

Doch jetzt stößt Schweden an seine Grenzen. "Wir müssen die Kosten für die Migration senken. Die Lage ist auf Dauer unhaltbar", hatte der sozialdemokratische Regierungschef Stefan Löfven am Freitag die neue asylpolitische Linie kommentiert, die das rot-grüne Kabinett mit der bürgerlichen Opposition (unter Ausschluss der Schwedendemokraten) vereinbart hat. Kurz zuvor hatte die Einwanderungsbehörde die Prognosen für die Zahl der Asylbewerber in diesem Jahr auf bis zu 190.000 erhöht. Die Behörde verlangt jetzt umgerechnet drei Milliarden Euro extra. Laut Finanzministerin Magdalena Andersson wird Schweden daraufhin zwar keine Steuern erhöhen, aber Kredite aufnehmen und in verschiedenen Haushaltsressorts sparen müssen.

Signal, dass nicht reichen wird

Die Asylübereinkunft sieht unter anderem vor, künftig vor allem zeitbegrenzte statt permanenter Aufenthaltserlaubnisse zu vergeben; zudem soll die EU auch Flüchtlinge aus Schweden, so wie bereits aus Griechenland und Italien, auf andere Mitgliedsstaaten verteilen. Laut Löfven sind die neuen Vorgaben ein "wichtiges politisches Signal", das aber "nicht reichen wird". Viele Schweden sehen das offenbar ähnlich: Nach einer am Montag veröffentlichten Umfrage findet die Mehrheit der Befragten die neuen Regeln gut, aber noch nicht streng genug.

Zur Diskussion der Sicherheit der Asylheime beruft der parlamentarische Justizausschuss nun die Chefs von Polizei und Staatsschutz ein. Die Schwedendemokraten haben unterdessen "mehr außerparlamentarischen Aktivismus" angekündigt. So machen sie für ein Referendum zur Asylpolitik mobil. Und ein Ortsverband der Partei in Lund veröffentlichte jetzt Karten über geplante Asylunterkünfte: Schließlich wolle man Anwohnern den Einspruch ermöglichen. (Anne Rentzsch, 26.10.2105)