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Maureen O'Hara starb am Samstag im Alter von 95 Jahren.

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Die Schauspielerin bekam 2014 den Oscar für ihr Lebenswerk.

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O'Hara im Jahr 1960.

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Die Schauspielerin am St.Patrick's Day 1997.

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New York – Es ist ein wunderschöner Sommertag, an dem Sean Thornton in seine alte, irische Heimat zurückkehrt. Der ehemalige Boxer, der im Ring einen Gegner getötet hat, möchte ein neues Leben beginnen, und das Anwesen seiner Vorfahren scheint genau der richtige Ort dafür zu sein. Doch kaum dass er mit dem Pferdewagen über die alte, steinerne Brücke von Innisfree gefahren ist und sich unter einem Baum eine Zigarette angezündet hat, findet er bereits die Liebe: eine rothaarige, junge Frau in strahlend blauem Kleid. "Hey, is that real?", fragt er den Kutscher, "she couldn't be."

In John Fords "The Quiet Man", entstanden 1952 als nostalgische Erinnerung an die irische Herkunft des Filmemachers, taucht Maureen O'Hara so plötzlich auf wie ein Naturereignis. Doch im Grunde erging es einem in fast allen Filmen mit O'Hara ein wenig wie John Wayne: Man stand nichtsahnend in der Landschaft oder verbrachte einen Abend mit Freunden, war traurig oder fröhlich, als diese Frau auftauchte wie aus dem Nichts. Auf Maureen O'Hara musste man nämlich unvorbereitet sein, das wussten bald alle Regisseure, die dieser Frau die Wirkung ihrer Filme anvertrauten.

Als die 1920 in einem Vorort von Dublin geborene Marguerite Fitzsimons ihre erste große Filmrolle übernahm, bekam sie im Vorspann des Films eine besondere Vorstellung: "And introducing … Maureen O'Hara", heißt es am Beginn von Alfred Hitchcocks "Jamaica Inn" (1939), einer Piratengeschichte nach Daphne du Maurier rund um eine zwielichtige Gastwirtschaft in Cornwall, die Hitchcock später selbst herablassend als "völlig absurdes Unternehmen" bezeichnen sollte.

Wayne und O'Hara als Leinwandpaar

O'Hara spielt eine irische Waise, die in finsterer Nacht in der von ihrem Onkel betriebenen Spelunke eintrifft und später in die Hände von Charles Laughton als heimtückischen Friedensrichter fällt. "Schon nach zwei Tagen mussten wir aufpassen, dass sie uns nicht alle an die Wand spielte", so Laughton später, der sie unter seine Fittiche genommen hatte. Und auch hier ist O'Haras erster Auftritt charakterisch: Störrisch und selbstbestimmt verlangt sie vom ängstlichen Kutscher, dass er anhalten und sie vor dem mysteriösen Wirtshaus aussteigen lassen solle. Es ist reiner Zufall, dass Jamaica Inn im selben Jahr entsteht wie John Fords Stagecoach, in dem John Wayne mit seinem ersten Auftritt nicht weniger störrisch verlangt, in eine Kutsche einsteigen zu dürfen. Wayne und O'Hara werden später zu einem der großartigsten Leinwandpaare der Filmgeschichte.

An der Seite von Laughton sollte es nach Hollywood gehen, mitten hinein in die große Studioproduktion "The Hunchback of Notre Dame" mit Laughton in der Titelrolle, die noch heute als eine der besten Verfilmungen des Klassikers gilt. Betrachtet man die Karriere O'Haras, ist man versucht, die Rolle des "Zigeunermädchens" Esmeralda mit ihrer Rolle in Hollywood in Einklang zu bringen: die widerborstige Schöne, die sich an den Wachen vorbei in die Stadt schmuggelt, in der sie bald Berühmtheit erlangt. Doch das ist natürlich nicht der Fall, denn die Filmstadt sollte sie bald mit offenen Armen empfangen.

"Queen of Technicolor"

Es gibt so viele großartige Augenblicke mit O'Hara, dass man sich dagegen wehrt, einen davon auszusuchen. In "How Green Was My Valley" (1941), ihrem ersten von insgesamt fünf Filmen mit John Ford, spielt sie die einzige Tochter des walisischen Bergmanns aus dem grünen Tal – "glühend und erdig" nannte sie Peter Bogdanovich. Das ist eine mehr als zutreffende Beschreibung, denn sie reicht über dieses großartige Werk Fords hinaus und nimmt jene Adelung vorweg, die O'Hara Mitte der 1940er-Jahre zuteil wurde, als die Farbe die Leinwand eroberte: "Queen of Technicolor".

O'Hara war prädestiniert für das Abenteuerkino dieser Zeit, sie hatte das Aussehen und die Kraft, den männlichen Helden, die in Wahrheit so oft Schwächlinge waren, Paroli zu bieten. Sie glänzte in Piratenfilmen wie Henry Kings "The Black Swan" (1942) an der Seite von Tyrone Power, funkelte in Frank Borzages "The Spanish Main" (1945) neben Paul Henreid, und bebte vor Zorn im Historienfilm "The Foxes of Harrow" (1947) als Ehefrau von Rex Harrison – einer der wenigen Filme, die man sich auch wegen O'Hara in Farbe wünscht. Und sie erlebte in Miracle on 34th Street (1947) ein Weihnachtswunder in Manahattan.

Bodenständige Schauspielerin

Das Erdige mochte ihrer irischen Herkunft geschuldet sein, in ihren Rollen hatte sie – in anderer Weise als die widerspenstige Katherine Hepburn – aber gerade deshalb auch immer etwas Bodenständiges. Ich weiß, woher ich komme, schien sie in jedem ihrer Auftritte zu sagen, und ich weiß, dass es einen Platz für mich gibt. Maureen O'Hara war eine Frau, die das deutlich machen konnte, vor allem dann, wenn dieser Platz bedroht schien wie in "A Woman's Secret" (1949), einem wenig bekannten Film noir von Nicholas Ray: eine Sängerin, die ihre Stimme verliert, muss sich anderweitig Gehör schaffen.

Ihr erster gemeinsamer Auftritt mit John Wayne, mit dem O'Hara eine lebenslange Freundschaft verband ("The greatest guy I ever knew", so der "Duke" über sie), zählt zu den schönsten aller komplizierten Liebesgeschichten im Western. Rio Grande (1950) heißt dieser Film, und O'Hara ist nicht eine jener Frauen, die zuhause sehnsüchtig auf die Rückkehr des Mannes warten, sondern sie ist Wayne als Colonel in dessen Zeltlager nachgereist, um den gemeinsamen Sohn nach Hause zu holen. Es tue ihr leid, ihm den Sohn wieder wegzunehmen, meint sie. Alle werden sie bleiben.

Grüne Augen, leuchtend rote Haare

Maureen O'Hara war die Frau mit den grünen Augen und den leuchtend roten Haaren. Sie begegnete ihren Filmpartnern auf Augenhöhe, setzte sich zur Wehr – so wie in ihren Rollen manchmal mit Händen und Füßen. Oder mit Dingen, die einfach herumlagen und die sie werfen konnte. Man hat den Eindruck, dass sie immer kämpfte, in den 1960er-Jahren mit Komödien und Musicals sogar gegen das Bild, das sie im Studiosystem viele Jahre lang begleitete. Ein letzter Film, der Spätwestern "Big Jake", selbstverständlich wieder mit Wayne, entstand noch 1971, als sie sich entschied, das Schauspielen sein zu lassen.

Zu Beginn des Films wird ihr Enkelsohn von Banditen entführt, und als einer der Ranchearbeiter sie fragt, ob er ihren Mann, also Wayne, holen solle, antwortet sie: "I have no husband". Doch genau aus dem gegensätzlichen Grund sollte Maureen O'Hara für die kommenden zwanzig Jahre das Schauspielen gegen etwas Anderes, womöglich Wichtigeres im Leben, eintauschen.

Oscar für Lebenswerk

Als in "Only the Lonely" (1991) von Chris Columbus noch einmal auf die Leinwand zurückkehrte, spielte sie eine alte, irische Katholikin, die dem erwachsen Sohn das Eheglück verwehrt, bis dieser sich von der Mutter emanzipiert und auch sie am Ende ihren Frieden mit Gott und der Welt findet.

"I guess everybody was in love with Maureen O'Hara", meinte Clint Eastwood vergangenes Jahr, als sie den Oscar für ihr Lebenswerk erhielt. Sie möchte über hundert Jahre alt werden, verkündete Maureen O'Hara, auch im Alter noch trotzig und mit der nötigen Portion Selbstironie. Ihre Dankesrede beendete die Geehrte mit einem alten, irischen Gedicht und der Zeile: "May the wind be at your back, and may the sun shine warmly upon your face." Maureen O'Hara starb am Samstag im Alter von 95 Jahren in Boise, Idaho. (Michael Pekler, 25.10.2015)