Die USA sind in vielerlei Hinsicht Fixpunkt für die ukrainische Führung. Was liegt also näher, als die anstehenden Lokal- und Regionalwahlen im Land mit den amerikanischen "midterm elections", den Zwischenwahlen zu vergleichen? Tatsächlich sind sie – wie das US-Vorbild – ein hervorragender Stimmungstest, nachdem Präsident und Parlament erst im vergangenen Jahr gewählt worden sind.

Natürlich geht es den Menschen bei der Wahl auch um die Lösung ihrer ganz persönlichen Probleme vor Ort; die Schaffung von Spiel- und Kindergartenplätzen; die Reparatur von Straßen oder die Beseitigung der Bürokratie in den lokalen Ämtern. Es ist aber auch eine Abstimmung über den Kurs der Regierung von Arsenij Jazenjuk und von Präsident Petro Poroschenko. Es geht um die neuen Tarife, das Vertrauen in die wirtschaftliche Erholung und Erfolge bei der Bekämpfung der Korruption oder die Hoffnung auf einen endgültigen Frieden im Osten der Ukraine. Umfragen zeigen, dass die Ukrainer ihrer Führung dafür ein schlechtes Zeugnis ausstellen.

Wenn sich das im Wahlergebnis niederschlägt, sind Änderungen nötig. Angeblich ist ein Regierungsumbau schon geplant, selbst vorgezogene Parlamentswahlen sind nicht völlig ausgeschlossen.

In jedem Fall ist sehr zu hoffen, dass die Wahl zu einem Umdenken bei den Mächtigen führt. Die Kiewer Führung muss mehr Kompromissbereitschaft zum Frieden zeigen. Die Ressourcen werden gebraucht, um das Tempo der Reformen zu erhöhen und den Kampf gegen die Korruption zu verschärfen. Denn bisher haben die meisten Ukrainer nicht das Gefühl, das sich wesentlich etwas am Filz geändert hat. Lediglich die Protagonisten wurden ausgetauscht, als Wiktor Janukowitsch zum Teufel gejagt wurde. Gelingt das, ist die ukrainische Zwischenwahl ein Erfolg. (André Ballin, 23.10.2015)