Bild nicht mehr verfügbar.

Boxer Witali Klitschko kämpft um eine Amtsverlängerung... allerdings als Bürgermeister.

Foto: EPA/Hirschberger

Witali Klitschkos Zauber als strahlender Sportsmann ist verflogen: Als Bürgermeister kämpft er mit den Krisen des Kiewer Alltags. Trotzdem hofft er am Sonntag auf einen Wahlerfolg. Eine Niederlage musste Klitschko im Wahlkampf schon einstecken: Anfang der Woche maß sich der 44-jährige Kiewer Bürgermeister mit der achtjährigen Veronika Weremjuk beim Schachspiel und verlor. "Ich habe mich einmal 31 Züge lang gegen Garri Kasparow gehalten, aber du hast mich schneller abgezockt", lobte er seine Gegnerin.

Die Pleite war keine Schande, immerhin ist Weremjuk Europameisterin ihrer Altersklasse und hätte auch die meisten anderen Schachliebhaber überspielt. Im Fall Klitschko war es allerdings ein willkommener Anlass, um einmal mehr über dessen intellektuelle Fähigkeiten zu spekulieren.

Zwei oder vier Stellvertreter?

Der Ex-Boxweltmeister ist nicht unschuldig am Spott. Zahlreiche unfreiwillige Bonmots haben bei vielen Ukrainern das Bild eines eher einfältigen Sportlers verfestigt, der seine Popularität in eine Politkarriere umgemünzt hat. "Ich habe zwei Stellvertreter, von denen vier schon einen Monat auf dem Tisch des Ministers liegen", klagte er so und bewies, dass Arithmetik und Grammatik nicht zu seinen Stärken zählen.

Dabei hatte er als Hoffnungsträger begonnen. Seine politische Unerfahrenheit spielte er als Trumpf aus, stellte sich als unverbraucht dem von der Korruption zerfressenen politischen Establishment in der Ukraine entgegen. Immer wieder nahm er dabei Bezug auf Deutschland, seine "zweite Heimat". Er wolle europäische Standards in die Ukraine importieren, betonte er.

Zwischenbilanz nach einem Jahr

Gut ein Jahr ist Klitschko nun im Amt. Für die Kiewer war es eine harte Zeit: Der Lebensstandard ist infolge der schweren Wirtschaftskrise stark gefallen. Auch im Stadtsäckel ist wenig Geld für neue Projekte. Trotzdem: Straßen wurden instand gesetzt, im Kiewer Stadtviertel Trojeschtschina sogar Radwege – für Kiewer Verhältnisse ein Riesenfortschritt – gebaut.

Viele Bewohner verbinden mit ihm die Einführung der "Kiew-Karte" und des Telefondienstes 1551. Erstere erlaubt Kiewern soziale Rabatte, zweiter die schnelle Beseitigung von Müll, umgekippter Verkehrsschilder und anderer Probleme. Es gibt aber auch Kritik: Klitschko wird vorgeworfen, die Geschäfte von seinem Vize Igor Nikonow führen zu lassen. Der hat als Baulöwe aber durchaus eigene Interessen in der ukrainischen Hauptstadt.

Problemkind Mobilität

Der öffentliche Nahverkehr bleibt ein akutes Problem. Unter Klitschko wurde der U-Bahn-Bau eingestellt. Der Kauf neuer Straßenbahnen wurde zum Skandal: "Klitschkos Team versorgt Kiew mit Trams, die schon 30 Jahre in Prag auf der Straße waren", beschuldigte Ex-Vizeverkehrsminister Alexander Kawa die Stadtverwaltung praktisch der Korruption. Nun wird geprüft.

Bei den Kiewern hat Klitschko aber noch Kredit. Einer Onlineumfrage zufolge wollen 50 Prozent für den Amtsinhaber stimmen, seine Widersacher Borislaw Berjosa, Gennadi Korban und Alexander Omeltschenko liegen weit dahinter. Der Erstrundensieg ist also greifbar. Für Klitschko wäre er wichtig, denn rhetorisch sind ihm seine Gegner überlegen. Eine Stichwahl und zwei Wochen direkter verbaler Schlagabtausch könnten das Kräfteverhältnis auf den Kopf stellen. (André Ballin aus Kiew, 24.10.2015)