Energietanken im Vollbad fürs Überwintern.

Foto: Petra Eder

Es gibt die schöne Geschichte darüber, wie man Schildkröten aus ihrem Winterschlaf aufwecken kann. Die Panzertiere schlafen bekanntlich ab vier Grad. Wenn man aber die Temperaturen langsam nach oben schraubt, kehrt Leben in sie zurück, doch bevor sie aktiv werden, brauchen sie ein Vollbad.

Wer das einmal sehen durfte, wird es nicht vergessen. Die Schildkröte pumpt sich erst einmal mit Wasser voll, dann aktiviert sie sämtliche Stoffwechselvorgänge und wenn sie damit fertig ist, ist sie bereit fürs Leben. Aus der Schockstarre erwachen: Dafür brauchen sie Wasser, das gibt ihnen Energie.

Bei den panzerlosen Menschen scheint es auf den ersten Blick umgekehrt zu sein. Wer in den vergangenen Wochen ein paar Stunden im Freien verbringen musste und vielleicht nicht warm genug angezogen war, der kennt das Gefühl der Kälte, das bis in die Knochen geht.

Umspült sein wollen

In solchen Momenten ist ein Vollbad die beste Sache der Welt. Mit Schaum. Obwohl das weder besonders gut für die Umwelt noch für die eigenen Haut ist. Oder mit Öl: Obwohl man danach die ganze Badewanne putzen muss, weil alles andere langfristig richtig schmierig wird. Oder nur mit Wasser: Davon haben wir in Österreich gottlob genug.

Da liegt man dann also in der Wanne und schaut seinem Körper beim Floating zu. Langsam wird die Wassertemperatur kühler und wer dann raus muss, wird die Kälte erst so richtig spüren. Ich kann es nicht verhehlen: Ich persönlich bin Duscherin.

Gerne sehr heiß und auch eher lang. Im Sitzen, im Stehen, aber immer mit Duschbad. Ich könnte abends niemals ohne das Gefühl ins Bett gehen, mir den Dreck des Lebens abgewaschen zu haben. Und morgens: Brauche ich kein Wasser. Eine Nacht macht mich nicht schmutzig, so denke ich.

Apropos Gefühl: Menschen, die in ihrem früheren Leben wohl eher einmal Schildkröten waren (und das sicherlich noch irgendwo in den unendlichen Weiten ihrer DNA ablesen), vollbaden selten, um sich sauber zu fühlen.

Energie tanken

Vielmehr geht es ihnen ums Energietanken, die sie für das so anstrengende Leben brauchen. Sich vollpumpen, um weitermachen zu können. Argumente wie: "Das viele Baden ist nicht gut für deine Haut", schlagen sie folgerichtig in den Wind, das Schrumpelige ist ja immer noch wieder weg gegangen.

Um die Energie geht’s schließlich, gerade wenn es Herbst wird. Vielleicht sind manche Menschen ja inverse Schildkröten, sie brauchen Vollbäder zum Überwintern und nicht zum Aufwachen. (Karin Pollack, 26.10.2015)