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Eines der wichtigsten Anbauländer für Ölpalmen ist Malaysia. Ein Arbeiter sortiert in Sepang Palmfrüchte.

Foto: REUTERS/Samsul Said

Kipferl, Keks oder Pizza: In den meisten verarbeiteten Lebensmitteln steckt Palmöl. Auch viele Kosmetika und Reinigungsmittel kommen nicht ohne aus. Malaysia ist das größte Anbauland und das Unternehmen Sime Darby flächenmäßig der größte börsennotierte Palmölproduzent der Welt. Doch der Konzern hat ein schlechtes Image: Umweltorganisationen kritisieren, dass für den Anbau neuer Ölpalmenplantagen Regenwälder vernichtet werden.

Die Kritik an der Palmölproduktion führte 2004 zur Gründung der Organisation "Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl" (RSPO). Der RSPO ist eine freiwillige Zertifizierungsstelle, die von der Palmölindustrie und Handelsunternehmern selbst gegründet wurde. "Sie dient vor allem als Instrument für Unternehmen, die nach Europa exportieren. Denn hier ist in einigen Ländern das Bewusstsein größer", sagt Melanie Pichler. Die Politikwissenschafterin forscht seit Jahren über Palmöl. Aus Recherchereisen entstand im Vorjahr das Buch "Umkämpfte Natur. Politische Ökologie der Palmöl- und Agrartreibstoffproduktion in Südostasien."

Eine Beurteilung der Zertifikate ist zwiespältig: Es komme stark darauf an, was man als nachhaltig betrachtet, sagt Pichler. Als Problem am RSPO sieht sie, dass involvierte Konzerne nur einzelne Plantagen zertifizieren lassen: "Das ist für mich kein ernstzunehmendes Nachhaltigkeitsverständnis."

Teurer Zertifizierungsprozess benachteiligt Bauern

Als Voraussetzung für eine Zertifizierung gilt häufig die Umstellung auf innovative Technik. In einigen Mühlen, in denen die Palmnüsse gepresst werden, wurden etwa Filter eingebaut. Dadurch wird das bei der Verarbeitung freigesetzte Treibhausgas Methan gefiltert. Diese positive Entwicklung nützt Kleinbauern und Kooperativen aber wenig: Laut Pichler haben sie kaum Chancen auf eine Zertifizierung: "Für sie ist der bürokratische und finanzielle Aufwand zu groß."

Mehr als drei Viertel des weltweit produzierten Palmöls kommen aus Ländern Südostasiens. Laut Faostat, der statistischen Datensammlung der UN-Welternährungsorganisation, wurden 2012 allein in Malaysia und Indonesien 42,5 Millionen Tonnen Palmöl produziert. Indonesien verliert schon mehr unberührten Regenwald pro Jahr als Brasilien, wie eine aktuelle Studie der Zeitschrift "Nature Climate Change" zeigt.

Orang-Utans als Ernteräuber gejagt

Durch den Palmölanbau werden die tropischen Torfböden ausgetrocknet, wodurch große Mengen an dort gespeichertem CO2 entweichen. Für nachhaltig angebautes Palmöl darf zwar kein Primärwald, auch Urwald genannt, gerodet werden. Dennoch entstehen riesige Monokulturen, und es verschwinden Lebensräume für viele Tierarten. Orang-Utans etwa weichen auf der Suche nach Nahrung auf Plantagen aus. Dort gelten sie als Ernteräuber. Weltweit werden jährlich zwischen 2.000 und 3.000 Orang-Utans getötet. Die Organisation Vier Pfoten betont, dass die Tiere vor allem Opfer der Tropenholz-, Kohle- und Palmölindustrie werden.

Indigene müssen absiedeln

Die Landrechte von indigenen Völkern sind eines der großen sozialen Probleme und werden derzeit hauptsächlich durch freiwillige Verpflichtungen geregelt: Zertifizierte Unternehmen verpflichten sich zwar, mit Indigenen über eine Kompensation für das verlorene Land zu verhandeln, "aber die Möglichkeit, dass die Indigenen überhaupt nicht wegsiedeln wollen, wird in den meisten Verhandlungen gar nicht in Betracht gezogen", so Pichler.

Auch die Arbeitnehmer auf den Plantagen sind im RSPO unzureichend vertreten, sagt Pichler: "Es gibt keine Plattform für Arbeiterinnen und Arbeiter. Es wird vorausgesetzt, dass sie von ihren Unternehmen vertreten werden. Eine gewerkschaftliche Organisation fehlt weitgehend."

Der Großteil des Palmöls fließt in die Nahrungsmittel. Doch der Sektor der Agrartreibstoffe, oft als "Biotreibstoffe" bezeichnet, boomt. Die Verteuerung fossiler Energieträger wie Erdöl und Erdgas führt dazu, dass die Nachfrage nach billigeren Energieträgern steigt.

Ertragreiche Ölpalme

Doch auch der völlige Verzicht ist keine Lösung. "Der Ertrag von Palmöl ist gut. Es ist nicht umsonst das billigste Pflanzenöl", sagt Pichler. Aus einem Hektar Palmölplantage können etwa 3,5 Tonnen, aus einem Hektar Kokosnussplantage nur rund 0,7 Tonnen Öl pro Jahr gewonnen werden. Die Früchte der Ölpalme können zudem das ganze Jahr über geerntet werden und liefern – anders als etwa Soja – über Jahre hinweg Ertrag.

Initiativen kommen mittlerweile öfter aus der Wirtschaft als aus der Politik der Industriestaaten. Die norwegische Zentralbank ließ im August aufhorchen: Der weltgrößte öffentliche Investmentfonds des Landes, den die Zentralbank verwaltet, verbannte vier Unternehmensgruppen aufgrund der Gefahr "schwerer Umweltschäden" bei der Umwandlung tropischer Regenwälder für die Palmölgewinnung aus seinem Portfolio. Die Entscheidung betraf die südkoreanischen Daewoo-Gruppe, deren Mutterkonzern Posco sowie die malaysischen Firmen Genting und IJM. (Julia Schilly, 22.10.2015)