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Der mutmaßliche Islamist vor Beginn des Prozesses in Wien.

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Wien – Unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen hat am Mittwoch im Wiener Landesgericht ein Prozess gegen einen mutmaßlichen Islamisten, der seit 2011 für das "Kaukasus-Emirat" Spenden in Höhe von mehr als 400.000 Euro gesammelt haben soll, begonnen. Der gebürtige Tschetschene erklärte sich vor dem Schöffensenat (Vorsitz: Gerda Krausam) nicht schuldig.

Die Anklage legt dem 37-jährigen Aslanbek I. Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Terrorismusfinanzierung zur Last. In ganz Europa soll er laut Staatsanwältin Stefanie Schön finanzielle Mittel über Kuriere und Mitglieder der 2007 gegründete Extremistengruppe "Kaukasus-Emirat" – unter anderem für Waffen – zukommen haben lassen.

"Ich habe mein tschetschenisches Volk unterstützt – ich unterstütze es noch immer", betonte Aslanbek I. gegenüber dem Schöffensenat, nachdem er versucht hatte, den Konflikt zwischen Tschetschenien und Russland historisch darzulegen. Unterstützen würde er sein Volk jedoch nur "moralisch". Gegenüber der Polizei habe er jedoch laut Richterin Krausam zu Protokoll gegeben: "Russen verstehen nur dann, wenn man ihnen in die Gosche haut".

Ob er Terroranschläge für richtige Maßnahmen hielte, fragte die Richterin den Angeklagten. "Terroristische Akte sind an sich kein geeignetes Kampfmittel, aber es kommt darauf an, welche terroristischen Akte das sind", so Aslanbek I. und fügte hinzu: "Wenn du in deinem Haus getötet wirst, dann wartest du nicht dort und sagst Putin danke." Natürlich wolle er für seine Familie und sein Land kämpfen – aber er sei jetzt in Österreich.

Das "Kaukasus-Emirat" kämpft für eine islamistische Herrschaft im gesamten Kaukasus-Gebiet, wobei es sich terroristischer Anschläge bedient. Die Gruppierung bekannte sich unter anderem zu den Attentaten auf die Moskauer U-Bahn im Jahr 2010 und den Moskauer Flughafen im darauf folgenden Jahr. Ausweichend antwortete der Angeklagte auch auf die Fragen der Richterin nach dem "Kaukasus-Emirat". Er wisse davon nur aus den Medien, sagte Aslanbek I.

Ein Zeuge hingegen – so Staatsanwältin Schön – habe den 37-Jährigen als Autorität in der Extremistengruppe bezeichnet und bestätigte das Sammeln von Geldern. Er habe die "Kasse des Emirats" verwaltet, sagte der Zeuge der Anklage zufolge. Aslanbeck I. bestritt die Angaben und fragte, wer denn dieser Zeuge sein sollte.

Schön zufolge kam der Angeklagte, der seit 2004 in Österreich lebt, wegen seines "konspirativen Verhaltens" im Vorfeld der Olympischen Spiele in Sotschi im Jahr 2014 ins Visier der Behörden. So habe er unter anderem während Telefonaten Codewörter benutzt, zeigten Überwachungsmaßnahmen. Später seien Listen und Zahlen in einem Notizbuch und auf einem Handy in seinem Haus in Neunkirchen gefunden worden. Laut Anklage ist er darin für das Verfassen von einer Reihe von Namen und dreistelligen Geldbeträgen verantwortlich.

Beweise infrage gestellt

Nach mehrmaligen Nachfragen der Richterin, sagte der 37-Jährige, das Notizbuch gehöre einem Bekannten, dessen Namen wollte er vorerst nicht nennen, das sei zu "gefährlich". Dieser habe mit Geldüberweisungen über die Bank Western Union etwas verdient, so Aslanbek I. "Gefährlich" sei es deshalb, weil "die Leute" Angst hätten, solche Transaktionen preiszugeben. Erst nach einer Besprechung mit seinem Verteidiger gab Aslanbek I. den Vornamen "Abu" bekannt. Der Kontakt zu ihm brach dem Angeklagten zufolge 2012 ab.

Der 37-Jährige sitzt seit längerem in der Justizanstalt Wien-Josefstadt in U-Haft. Dort fällt er insofern auf, als er trotz zweier Prothesen, auf die er nach dem Verlust seiner Unterarme angewiesen ist, äußerst geschickt hantieren soll.

Sein Verteidiger Lennart Binder hatte zu Beginn die von der Staatsanwaltschaft gesammelten Beweise infrage gestellt. Dem Angeklagten wäre es gar nicht möglich gewesen, so ein Notizbuch zu führen oder ein Handy zu bedienen. Die österreichische Justiz habe auch die Transaktionen nie geprüft oder die russischen Ermittlungsergebnisse angefordert. Zudem habe die Staatsanwaltschaft nie geprüft, ob Aslanbek I. wirklich ein Mitglied des "Kaukasus-Emirats" sei.

Sein Mitangeklagter, der Neffe des 37-Jährigen, bekannte sich ebenfalls nicht schuldig. Laut Anklage soll Magomed S. das gesammelte Geld seines Onkels in seiner Wiener Wohnung gebunkert und ihm auch vor allem als Chauffeur gedient haben. Verdächtig hätte den 28-Jährigen zudem die bei einer Hausdurchsuchung gefundene Summe von 26.000 Euro gemacht. Das Geld komme aus einem Hausverkauf in Tschetschenien, so Magomed S., der Staatsanwaltschaft zufolge sei der Kaufvertrag jedoch gefälscht.

Magomed S. Verteidiger, Alfred Steffek, hielt dagegen, dass sein Mandant das Geld zur Polizei gebracht hätte. Zudem machte er darauf aufmerksam, dass der russische Inlandsgeheimdienst – also "jener der die Ukraine für den Absturz des Passagierflugzeugs MH17 verantwortlich macht" – Anstoß für die Ermittlungen gegeben habe.

Keine eigene Meinung

Nach einer Pause wurde die Einvernahme des Mitangeklagten am Nachmittag fortgesetzt. Wie auch schon Aslambek I. befragte die Richterin Magomed S. zu Beginn über seine Einstellung zu seinem Heimatland Tschetschenien. "Ich habe dazu keine eigene Meinung, das interessiert mich einfach nicht", so der 28-Jährige. Ähnlich äußerte er sich zum "Kaukasus-Emirat". Das kenne er nur über das Internet. Auch wüsste er nicht, dass sich die islamistische Terrororganisation zu Anschlägen in Moskau bekannte.

Die Beziehung zu seinem Onkel – dem Hauptangeklagten Aslambek I. – bezeichnete er als "normal". Dieser könne angesichts seiner beiden fehlenden Unterarme gar kein Geld sammeln oder verwalten, betonte er gegenüber dem Schöffensenat. Die Frage der Richterin, ob er ihn dann dabei unterstützt hätte, wies Magomed S. laut zurück.

Die Anklage wirft dem 28-Jährigen jedoch vor, seinem Onkel als Chauffeur gedient zu haben. Er habe Aslambek I. "einfach so" einige Male mitgenommen, als er als Wurst-Lieferant russische Geschäfte bediente, erklärte Magomed S. Der Anklageschrift zufolge reiste Aslambek I. nach Straßburg, Nizza und Aachen. Geld für Treibstoff habe er mit dem Transport von Lebensmitteln lukrieren können, hatte der Hauptangeklagte zuvor in seiner Aussage zu Protokoll gegeben.

Im Mittelpunkt der Befragung stand jedoch die Herkunft der 26.000 Euro, die Magomed S. in seiner Wohnung in Neunkirchen gelagert hatte. Dem Nebenangeklagten zufolge stammen sie aus einem Wohnungsverkauf in Tschetschenien. Die Immobile hatte er nach seinen Angaben von seinem Vater geerbt, seine Tante wickelte demnach den Verkauf und brachte das Geld nach Österreich.

Auf den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, der von ihm später vorgelegte Kaufvertrag sei "komplett gefälscht", gab Magomed S. keine klare Antwort. Das der Name auf dem Vertrag der seiner Tante sei und nicht seiner begründete der Angeklagte, "in Tschetschenien könnte das jeder machen".

Abgesehen von den 26.000 Euro sind laut Richterin Krausam noch weitere "herrenlose" Barbeträge in der Wohnung gefunden worden. Konkret ging es dabei um 1.000 US-Dollar, für die Magomed S. Verfügungsberechtigter gewesen sein soll. Dies bestritt der Angeklagte jedoch und verwies auf seine Verwandten mit denen er die 5-Zimmer-Wohnung teilte.

Jener Zeuge, der gegenüber der Polizei den Hauptangeklagten unter anderem als Autorität der Terrororganisation "Emirat Kaukasus" bezeichnete, erschien zwar vor Gericht, verweigerte jedoch die Aussage. Er habe Angst, dass seiner Familien in Tschetschenien etwas passieren würde, gab der Zeuge als Grund an.

Am Donnerstag – dem letzten Tag des Prozesses – soll nun der Polizist verhört werden, der für die Zeugeneinvernahme verantwortlich war. Danach erfolgt die Befragung der Angeklagten durch die Staatsanwaltschaft und die Verteidiger.

Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt und soll am Donnerstag zu Ende gehen. Den Angeklagten drohen im Falle von Schuldsprüchen bis zu zehn Jahre Haft. (APA, 21.10.2015)