Odense – Zu Gicht assoziiert man heute in erster Linie Alter – in früheren Jahrhunderten galt sie als Krankheit der Reichen, da die Stoffwechselstörung durch hohen Fleisch- und Alkoholkonsum begünstigt wird. Allerdings lauerte im Mittelalter noch eine weitere Gefahr auf jene Minderheit, die es sich leisten konnte aufwendig zu tafeln, wie Forscher der dänischen Syddansk Universitet herausfanden.
Bleivergiftung durch Luxusgeschirr
Diese Gefahr lag aber nicht im Essen selbst, sondern im kostbaren Geschirr, in dem dieses serviert wurde: Teller, Schüsseln und Tassen mit bunten Glasierungen, in denen Bleioxid enthalten war. Wurde die Oberfläche des Geschirrs durch säure- oder salzhaltige Speisen angegriffen, löste sich das Blei und gelangte mit dem Essen in den Körper.
Bei einer Bleivergiftung sammelt sich das Schwermetall im Körper und beeinträchtigt die Blutbildung, Verdauung und Nierenfunktion sowie die Fortpflanzungsfähigkeit. Auch das Nervensystem wird geschädigt – besonders drastisch kann sich dies bei Kindern auswirken, bei denen sich das Nervensystem noch entwickelt. Eine Folge kann auch verringerte Intelligenz sein.
Omnipräsentes Schwermetall
Für ihre Studie untersuchten die Forscher um Kaare Lund Rasmussen zusammen mit deutschen Kollegen 207 mittelalterliche Skelette von sechs Friedhöfen in Dänemark und Norddeutschland. Dabei stellten sie einen sehr deutlichen Unterschied zwischen ehemaligen Stadt- und Landbewohnern fest: Die Gebeine von Landbewohnern enthielten fast überhaupt kein Blei – die der Städter hingegen in hohen Mengen.
Außer dem Geschirr, das sich die armen, aber dafür giftfreien Landbewohner nicht leisten konnten, gab es in den Städten noch eine Reihe weiterer Bleiquellen: Münzen, buntes Glas und Bleischindeln auf den Dächern der Häuser. Da Regenwasser vom Dach oft als Trinkwasser genutzt wurde, gelangte das giftige Schwermetall auch auf diesem Weg in den Körper der Städter. "Im Mittelalter war es fast unmöglich zu vermeiden, Blei aufzunehmen, wenn man reich war oder in einer städtischen Umgebung lebte", sagt Rasmussen. (jdo, 25. 10. 2015)