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Na, wo ist sie denn, die Pädagogin? Wenn die Bedingungen so schlecht bleiben, wird es bald keine mehr geben.

Reuters

Im Vorjahr kam das große Erstaunen: Da hatte man gerade die Ausbildung der Kindergartenpädagoginnen auf eine neue, akademische Basis gestellt – und dann das: 60 Prozent der Absolventinnen wählen gleich einen anderen Beruf, sie tun sich den Kindergarten von vornherein nicht an.

Das "Antun" hat mit den lieben Kleinen am allerwenigsten zu tun, sondern mit den Arbeitsbedingungen, die schon die Praktikantinnen während ihrer Ausbildung vorfinden – und die es ihnen unmöglich machen, das, was sie gelernt haben, auch umzusetzen. Der ohnehin schon hinterfragenswerte Schlüssel von 1,5 Pädagoginnen pro 25 Kinder ist graue Theorie.

In der Praxis ist die halbe Kraft, zumeist eine pädagogische Assistentin, auch für Kochen beziehungsweise Essenszubereitung, Abräumen und Reinigungsarbeiten in der jeweiligen Gruppe zuständig – viel bleibt da nicht mehr an Zeit für pädagogische Unterstützung der "hauptamtlichen" Pädagogin.

Schlecht bezahlt, ungleich behandelt

Dazu kommt die Bezahlung: Sie beträgt für eine fertig ausgebildete Vollzeitpädagogin im ersten und zweiten Berufsjahr 2.052 Euro brutto und steigt in den weiteren Berufsjahren kaum. Die Helferinnen bekommen gar nur 1.400 Euro. Dazu kommt, dass es in ganz Österreich 60 verschiedene Gehaltsschemata gibt. Mal wird die Vor- und Nachbereitungszeit bezahlt, mal wieder nicht. Mal gibt es eine Betriebsvereinbarung, die Beschäftigte bei privaten Anbietern etwas besserstellt, mal gibt es eine krasse Ungleichbehandlung, weil etwa die Pädagoginnen in den städtischen Einrichtungen – bei gleicher Arbeitsleistung – deutlich bessergestellt sind.

In Wien gehen die Kindergartenpädagoginnen nun auf die Straße – und zwar jene von sehr großen Anbietern: Kinderfreunde, Kiwi, St.-Niklas-Stiftung und etliche andere. Sie alle sind keine Gemeindebediensteten, sie alle verdienen weniger und haben schlechtere Arbeitszeitbedingungen als die Kolleginnen in den städtischen Kindergärten. Noch ist man in Wien (in Restösterreich sowieso) weit davon entfernt, wie die deutschen Kita-Kolleginnen, von der Gewerkschaft befeuert, monatelang zu streiken. Das ist die gute Nachricht für Eltern.

Wie Hirtenhunde

Die schlechte Nachricht ist: So viel anders ist die Situation hierzulande nicht. "Die Pädagoginnen fühlen sich oft wie Hirtenhunde. Sie müssen die Herde zusammenhalten, von gestalten oder gar Kinder individuell fördern kann keine Rede sein", sagt Karin Wilfingseder, die Vorsitzende der "Themenplattform Elementar-, Hort- und Freizeitpädagogik" in der Wiener Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA). Die Folge sei, die Pädagoginnen – in über 90 Prozent der Fälle sind es Frauen – brennen aus und landen im schlimmsten Fall im Burnout. Im besseren Fall ist nur die Fluktuation im Kindergarten hoch – das trifft dann "nur" die (Klein-)Kinder, die sich jedes halbe Jahr an ein neues Gesicht gewöhnen müssen.

Ausgemacht war alles einmal anders. Als die Wiener Stadtregierung mit großer Geste den Gratiskindergarten einführte, versprachen sowohl Bürgermeister Michael Häupl als auch der zuständige Stadtrat Christian Oxonitsch (beide SPÖ), Gehalt und Arbeitsbedingungen anzugleichen. Einen Vertrag mit der Stadt Wien plus entsprechender Abgeltung pro Kindergartenkind und -platz bekomme nur, wer auch nachweisen könne, dass er seine Pädagoginnen nicht in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftige.

Ideal ist anders

Nun wäre prekär in den meisten Fällen ein zu starkes Wort – aber ideal ist auch anders. Noch schlimmer sieht es bei den Freizeitpädagoginnen aus: Sie verdienen am schlechtesten, ihre Arbeitsbedingungen sind oft übel. Trotz steigenden Bedarfs an Nachmittagsbetreuung schließen viele Horte, weil die Beschäftigungsbedingungen laut Hortgesetz strenger sind.

Das alles wird nicht dazu führen, dass Kinder optimal auf die Schule vorbereitet beziehungsweise bestmöglich am Nachmittag betreut und – am besten individuell – gefördert werden. Man muss eher eine Situation der Aufbewahrung fürchten. Die Politik ignoriert das Problem, es ist auch so schwierig genug, mit den Ländern zu Einigungen zu kommen – bei welchem Thema auch immer. Man tut so, als sei der Kindergarten ein Nebenschauplatz. Genau umgekehrt sollte es sein: Wer die längst fällige Schulreform fordert, muss den Kindergarten mitdenken – und mitreformieren. Anders wird das wieder nichts. (Petra Stuiber, 21.10.2015)