Die Zentrale der Bank Austria in der Wiener Schottengasse ist bereits verkauft worden. Nun könnte das Retailgeschäft folgen.

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Wien – Der 11. November, der Tag des heiligen Martin, verspricht für die Unicredit-Gruppe heuer einiges an Spannung. Für diesen Termin hat Bankkonzernchef Federico Ghizzoni die Bekanntgabe des überarbeiteten Geschäftsplans für die Jahre bis 2018 angekündigt – und Fest wird das keines werden. Die größte italienische Bank muss sparen, Mitarbeiter abbauen und Eigenkapital aufbauen. Die Rede ist von einem Verlust von insgesamt 10.000 von zuletzt rund 147.000 Posten.

Auch die österreichische Tochter Bank Austria (BA) unter der Führung von Willibald Cernko wird nicht ungeschoren davonkommen, bisher wurde stets mit einem Abbau von rund 1.500 Leuten spekuliert.

Tiefer Einschnitt

Allerdings könnte dem Kreditinstitut ein wesentlich tieferer Schnitt bevorstehen, der, würde er realisiert, keinen Stein auf dem anderen ließe. Die italienischen Eigentümer prüfen die Abspaltung fast des gesamten Kundengeschäfts (Retail) der Bank Austria – samt anschließendem Verkauf. Auch einen potenziellen Erwerber soll es bereits geben: die Bawag. Wie der STANDARD aus Eigentümerkreisen erfahren hat, soll es bereits Gespräche auf höchster Ebene geben – unter Federführung von Unicredit-Finanzchefin Marina Natale auf der einen und den Vertretern des New Yorker Bawag-Eigentümers Cerberus auf der anderen Seite. BA-Chef Cernko soll nicht eingebunden sein; die Sache ist aber grundsätzlich Angelegenheit des Aktionärs.

Die Idee dahinter: Die BA könnte das Geschäft mit den Privatkunden und kleinen und mittleren Unternehmen an die Bawag abgeben. Vermögende Privatkunden und Vermögensverwaltung blieben bei der Bank Austria – würden aber in deren Schoellerbank übersiedeln. Dem Vernehmen nach stellen sich die Italiener einen Kaufpreis von rund 800 Millionen Euro vor – ein Preis, den die Amerikaner allerdings nicht stemmen wollen. Ein zusätzliches Problem sollen die "definitiv gestellten", also unkündbaren Mitarbeiter der BA aus alten Zentralsparkasse-Zeiten sein.

Ostgeschäft soll abwandern

Die BA kommentiert das nicht, ein Unicredit-Sprecher wies auf Anfrage darauf hin, dass die Evaluierungen in der italienischen Bankengruppe eben noch nicht beendet seien, auch in Bezug auf die BA "sind noch keine Entscheidungen gefallen". Eine Bawag-Sprecherin ließ wissen, dass ja bekannt sei, dass "unsere Eigentümer verschiedene strategische Optionen für die Bawag PSK evaluieren". Marktgerüchte kommentiere man aber nicht.

Der BA dürfte darüber hinaus auch das Ostgeschäft abhandenkommen. Derzeit sind die Österreicher in der Unicredit-Gruppe (mit Ausnahme des großen Markts Polen) für das gesamte ost- und zentraleuropäische Bankennetzwerk zuständig: für Aserbaidschan, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Polen, Rumänien, Russland, Serbien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Türkei, die Ukraine und Ungarn.

Bank-der-Regionen-Vertrag endet

Die Zuständigkeit der Wiener ist im Bank-der-Regionen-Vertrag festgeschrieben – der läuft aber im März 2016 aus. Der Kontrakt war 2006 zwischen BA, Italienern und Münchener HypoVereinsbank (HVB) geschlossen worden. Der HVB hat die Bank Austria von 2000 bis 2005 gehört, 2006 wurde sie von Unicredit übernommen. Ab April 2016 soll das Ostgeschäft samt Erlösen nach Mailand abwandern – die nötigen Kapitalerfordernisse dafür inklusive.

Sollte all das wirklich kommen, bliebe von der Bank Austria ein Skelett aus Vermögensverwaltungsgeschäft, diversen Töchtern und allenfalls von der Bawag nicht übernommenen Mitarbeitern. Insgesamt hat die BA rund 7200 Mitarbeiter (Vollzeitäquivalente), die BA-Gruppe rund 9400. Für einen beachtlichen Teil alter Pensionslasten haftet die Gemeinde Wien.

Das kolportierte Interesse von Cerberus leitet sich aus der Unmöglichkeit ab, die Bawag wie geplant gewinnbringend zu verkaufen. Entweder verkaufen oder investieren – so lautet die Devise der Amerikaner; erst jüngst haben sie die ÖVAG-Leasingtochter gekauft.

Bawag baut Mitarbeiter ab

Ungeachtet dieser Wachstumsideen: Der Personalstand der Bawag schrumpft weiter. Nach einem Gerichtsentscheid ist der Sozialplan der Bank im Sommer wieder in Kraft getreten, bis Jahresende sollen weitere 100 Mitarbeiter gehen; zudem an die 20 bis 40 Beschäftigte der bereits ausgelagerten "Kreditfabrik". (Renate Graber, 20.10.2015)