Foto: Hernstein Institut
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Führungskräfte fühlen sich fremdgesteuert und in ihrer Work-Life-Balance so gar nicht ausgeglichen. Unterbrechungen stören beim Arbeiten, Pausen sind kaum drin.
Nur jeder Dritte nimmt Auszeiten – in Form von Teilzeit-, Karenzangeboten oder Sabbaticals – in Anspruch. Das geht es den Ergebnissen des aktuellen Hernstein Management Reports, einer Umfrage unter 1.500 österreichischen und deutschen Führungskräften, hervor.

Als Top-Belastungsfaktor gilt demnach mangelnde Gelegenheit zum Ausschnaufen. Als nicht plan- und abschätzbar beschreiben 48 Prozent der Führungskräfte ihre eigene Arbeit. 44 Prozent der Befragten klagten über mangelnde Pausenmöglichkeiten. 42 Prozent der Befragten sehen die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben als nicht gegeben.

Hin- und hergerissen

Wenn Führungskräfte einen Wunsch frei hätten, würden sie am liebsten etwas beim "Zwischenmenschlichen" ändern. 15 Prozent der Befragten befinden die Zusammenarbeit im Team, Konflikte am Arbeitsplatz, die Kommunikation mit Kolleginnen und Kollegen oder Vorgesetzten sowie das Arbeitsklima im eigenen Unternehmen als veränderungswürdig.

"Manager haben oft ein berufliches Doppelleben: Führen und Leisten. Dieser Fakt wird vom Umfeld gerne übersehen", sagt Eva-Maria Ayberk, Leiterin des Hernstein Instituts. "Sie sind hin- und hergerissen zwischen den Interessen von Kunden, Chefs und ihren Teams. Und gleichzeitig sollen sie die richtigen Zahlen liefern."

Elf Prozent der Befragten wünschen sich eine Veränderung der Arbeitsinhalte. Zehn Prozent würden etwas an der Organisationsstruktur im Unternehmen verändern.

Administrative Aufgaben

Neben ihren Fach- und Führungsaufgaben sind Führungskräfte auch für eine Reihe von administrativen Tätigkeiten verantwortlich. Bekommen sie dabei organisatorische Unterstützung? Nur neun Prozent verfügen offenbar über eine allein ihnen zugeordnete administrative Assistenz. 34 Prozent teilen sich eine Assistenz, 35 Prozent sind gänzlich auf sich gestellt. In dieser Gruppe zeigen sich in den Studienergebnissen auch tendenziell höhere Belastungswerte bei der Bewältigung des eigenen Arbeitspensums.

Störungen

Das führt zu Zeitdruck, Unterbrechungen und mangelnden Pausen. Auch in den Führungsetagen ein großes Thema: 57 Prozent der Führungskräfte sprechen davon, dass sie die eigene Arbeit nicht frei von Unterbrechungen erledigen können. "Eine Studie der University of California aus dem Jahr 2005 fand heraus, dass Führungskräfte durchschnittlich alle elf Minuten in ihrer Arbeit unterbrochen werden. Dann dauert es bis zu 25 Minuten, bis sie wieder in ihre Tätigkeit hineinfinden", sagt Ayberk.

"Unterbrechungen reduzieren langfristig die Leistungsfähigkeit und damit die Produktivität. In Kombination mit anderen Stressfaktoren können gesundheitliche Probleme auftreten, die wiederum zu krankheitsbedingten Ausfällen führen. Weiter gedacht senken Unterbrechungen und die damit verbundenen Folgen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens."

Auszeit = Karriere aus?

Wenn es Zeit wird, auf die Bremse zu steigen und die Belastungen zurückzuschrauben: Welche Möglichkeiten bieten Unternehmen, um die Reißleine zu ziehen? Die häufigste Verbreitung in Unternehmen haben Karenzangebote, die über das gesetzliche Maß hinausgehen (52 Prozent).

Teilzeitmöglichkeiten (49 Prozent) werden häufig angeboten, diese werden in überwiegendem Maße von Frauen genutzt: 23 Prozent versus elf Prozent bei den Männern. Einen Laufbahnwechsel, also ein Wechsel zwischen Führungs- und Expertenfunktion, gibt es in 46 Prozent der Unternehmen, diesen nehmen vor allem junge Führungskräfte in Anspruch. In einem Viertel aller Unternehmen gibt es die Möglichkeit, sich in Form eines Sabbaticals für einen längeren Zeitraum aus dem Spiel zu nehmen. Weniger verbreitet sind Jobsharing-Möglichkeiten. Am häufigsten genutzt werden Teilzeitmöglichkeiten (15 Prozent) und Karenzangebote (14 Prozent).

Nur jede dritte Führungskraft konsumiert die Angebote, interessanterweise nutzen die oberen Führungsebenen die Angebote häufiger. "Ob Stundenreduktion, Jobsharing oder Sabbatical, bei Führungskräften steht da gerne auch die Frage nach der Leistungsfähigkeit im Raum. Gerne wird ein Motivationsknick unterstellt und die Lust am Arbeiten bezweifelt. Und das, obwohl sich die Rückkehrer nach ihrer Auszeit viel leistungsfähiger, erfrischter und nicht mehr so betriebsblind fühlen", sagt Ayberk.

Neues Leadership-Verständnis

Führungskräfte würden die Verantwortung tragen, die gesundheitlichen Risiken ihrer Teams im Auge zu haben. Gleichzeitig sollten sie mit gutem Beispiel vorangehen. Ein Spagat, der immer mehr herausfordert, sagt Ayberk: "Führung und Organisation von gestern sind von gestern. Angesichts der Flexibilisierung zeigen Organisationen mit traditionellen Führungsmodellen Abnützungserscheinungen und funktionieren mehr schlecht als recht. Jede Organisation braucht Leadership, aber nicht unbedingt Führungskräfte wie wir sie heute kennen. Was es braucht, ist Agilität und ein neues Leadership Verständnis." (red/lib, 19.10.2015)