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Das EU-Finanzangebot für die Flüchtlingshilfe sei zu niedrig und daher unannehmbar, findet der türkische Außenminister Feridun Sinirlioğlu.

Foto: Reuters / Ümit Bektas

Ankara/Wien – Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen in der Türkei haben die Staats- und Regierungschefs der EU dem autoritär regierenden Präsidenten Tayyip Erdoğan und seiner konservativ-islamischen Partei AKP zu einem politischen Erfolg verholfen. Erdoğan und sein Premier Ahmet Davutoğlu dürften die von der EU versprochene schnellere Aufhebung der Visapflicht für Türken ebenso wie das dreimal höhere Angebot für eine Geldhilfe nun zu einem Trumpf im Wahlkampf machen.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel reist zudem am Sonntag zu einem Treffen mit Erdoğan und Davutoğlu in die Türkei, was angesichts der kurzen verbleibenden Zeit bis zu den Wahlen im Land ungewöhnlich ist. Die Kanzlerin vermeidet allerdings einen Empfang im neuen Präsidentenpalast in Ankara, der in der türkischen Öffentlichkeit als Symbol von Prunksucht und Verschwendung von Steuermitteln gilt. Merkel wird anders als zu Wochenbeginn gemeldet nun nach Istanbul fliegen.

"Plötzliche Liebe zu Erdoğan"

Türkische Kommentatoren wie Murat Yetkin von der liberalen Tageszeitung "Radikal" machen sich gleichwohl wenig Illusionen über die Beweggründe, die zu den großzügigen Angeboten der EU an die Türkei führten. Merkels "plötzliche Liebe zu Erdoğan" sei natürlich in der Flüchtlingskrise begründet, stellte Yetkin fest.

Erdoğan und das konservativ-religiöse Lager, das bei den vorgezogenen Wahlen am 1. November die Mehrheit für die Alleinregierung zurückerobern will, kosteten ihren diplomatischen Erfolg aus und ließen die Europäer nach dem Gipfel in Brüssel am Donnerstag zappeln. So widersprach der Sprecher der AKP, Ömer Çelik, EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn: Nichts sei bisher mit der EU in der Flüchtlingsfrage vereinbart, die Gespräche dauerten an. Außenminister Feridun Sinirlioğlu nannte nun auch die angebotenen drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe zu niedrig und unannehmbar.

Türkische Kritik an Brüssel

Erdoğan wiederum machte sich in einer Rede in Istanbul lustig über Merkel und die Europäer. Da sage jemand "Wir nehmen 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge auf" und werde sofort zum Kandidaten für den Friedensnobelpreis erklärt, sagte Erdoğan ironisch über die deutsche Kanzlerin. Die Türkei dagegen habe 2,2 Millionen Syrer und 300.000 Iraker aufgenommen. Kritik kam von den Grünen im EU-Parlament. Es sei falsch, dass die EU zu der politischen Eskalation in der Türkei schweige, ließ Fraktionschefin Rebecca Harms erklären. (Markus Bernath, 16.10.2015)