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US-Außenminister John Kerry hat seinen Schlingerkurs nun endgültig begradigt.

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Eine von der israelischen Armee kontrollierte Straßensperre vor einem palästinensischen Viertel in Ostjerusalem: Hunderte israelische Soldaten sind jetzt im Gebiet im Einsatz.

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Jerusalem/Ramallah/Wien – Der Schlingerkurs, den die US-Diplomatie in den vergangenen Tagen zur Eskalation zwischen Israel und den Palästinensern hingelegt hatte, wurde am Freitag von Außenminister John Kerry endgültig begradigt: Er forderte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in einem Interview mit NPR (National Public Radio) auf, die palästinensische Gewalt gegen Israelis "laut und klar" zu verurteilen, die durch "kein noch so großes Maß an Frustration" gerechtfertigt sei. Am Donnerstag hatte er bereits festgehalten, dass die USA "Israels Recht, seine Existenz zu verteidigen" unterstützen.

Kerrys Bedürfnis zur Klärung seiner Position wurde durch die israelische Empörung auf die Sprünge geholfen, die ausgebrochen war, nachdem der Außenminister selbst, aber auch sein Sprecher John Kirby Israel für die zunehmende Zahl von "individuellen" Attentaten von Palästinensern auf Israelis mitverantwortlich zu machen schienen.

Kerry hatte sich zu Wochenbeginn geweigert, "mit dem Finger auf jemanden zu zeigen", das heißt, die Schuld allein den Palästinensern zu geben. In einer Rede an der Universität Harvard hatte Kerry außerdem angeführt, dass der massive israelische Siedlungsbau im Westjordanland während der letzten Jahre zu Frustration und Gewalt führe.

Streit um "Status quo"

Und Kirby hatte in seinem Pressebriefing am Mittwoch behauptet, dass auf dem Tempelberg (Haram al-Sharif für die Muslime) der "Status quo nicht eingehalten" worden sei: "Das hat zu einem Gutteil der Gewalt geführt." Allerdings fühlte sich nicht nur Israel, sondern auch Jordanien, als Schutzherr und Verwalter der islamischen Stätten in Ostjerusalem, betroffen. Kirby zog die Aussage ein paar Stunden später wieder zurück.

Genau das werfen die Palästinenser – mit der Unterstützung mehrerer arabischer Staaten – Israel jedoch vor, nämlich dass es die Regeln für Juden, die den Tempelberg besuchen wollen, auf dem sich heute die islamische Al-Aqsa-Moschee und der Felsendom befinden, lockern will. Die israelische Regierung bestreitet, diesbezügliche Aktivitäten rechter religiöser Gruppierungen zu unterstützen.

In Israel ist der US-Außenminister ohnehin unbeliebt, nachdem er nach dem Zusammenbruch der israelisch-palästinensischen Verhandlungen 2014 öffentlich zu verstehen gab, dass er am israelischen Willen zu einer Zwei-Staaten-Lösung zweifelte. Dass Kerrys Einsatz für einen Nahostfrieden von dessen eineinhalbjährigen verbissenen Verhandlungen für den Atomdeal mit dem Iran abgelöst wurde – den die israelische Regierung trotz aller Bemühungen nicht stoppen konnte -, machte die Sache nicht besser.

Kerry hat seinen baldigen Besuch in der Region angekündigt. Viel Zeit bleibt nicht, den Brand zu löschen, in dem manche eine beginnende dritte Intifada sehen. Auf Antrag Jordaniens wurde am Freitag in New York eine Uno-Sicherheitsratssitzung einberufen.

Angriff auf Josephsgrab

Abbas, der zuletzt einerseits zu friedlichen Protesten aufrief, andererseits Öl ins Feuer zu gießen schien, verurteilte am Freitag den Brandanschlag auf das "Grab des Joseph" in Nablus. Dutzende Palästinenser hatten die jüdische Gedenkstätte angegriffen. Abbas versprach die Wiederinstandsetzung – aus der israelischen Regierung kamen Vergleiche mit der Zerstörung historischer Stätten durch den "Islamischen Staat".

Das Vertrauen ist nicht groß, dass die Palästinenserführung die Situation in den Griff bekommt: Die jungen Palästinenser sehen sich von ihr nicht vertreten. Auch am Freitag wiederholte sich das Muster des neuen "individuellen" Terrorismus, diesmal in der Siedlung Kiryat Arba im Westjordanland. Ein Palästinenser verletzte einen israelischen Soldaten schwer mit einem Messer und wurde selbst erschossen. Bis Freitag waren sieben Israelis und mehr als dreißig Palästinenser tot, davon etwa die Hälfte Attentäter. (Gudrun Harrer, 16.10.2015)