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Franz Beckenbauer (li.) und Wolfgang Niersbach hatten 2005 leicht lachen.

Foto: EPA/JEON HEON KYUN

Hamburg/Frankfurt/Wien – Das Zusammenzählen von eins und eins ergibt in der überwiegenden Zahl der Fälle zwei. Man muss aber nicht unbedingt auf das richtige Ergebnis kommen. Weshalb das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" schon mit Worten wie "vermutlich" oder "offenbar" operiert, wenn es behauptet, dass deutsche Funktionäre die WM 2006 gekauft hätten. Das Bewerbungskomitee, dessen Chef Franz Beckenbauer war, habe demnach im Frühsommer 2000 eine schwarze Kasse eingerichtet, die vom seinerzeitigen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus mit einem Darlehen in Höhe von 10,3 Millionen Franken, damals 13 Millionen Mark, gespeist worden sein soll.

Dempseys Umfaller

Am 6. Juli 2000 setzte sich die deutsche Bewerbung in Zürich letztlich mit zwölf zu elf Stimmen gegen Südafrika durch. Entscheidend war die eher überraschende Enthaltung des Neuseeländers Charles Dempsey, der eigentlich als sichere Stimme für Südafrika galt. Bei 12:12 hätte die Stimme von Joseph Blatter entschieden. Der Präsident des Weltverbandes Fifa war ein vehementer Befürworter der ersten WM in Afrika, die dann ja wie flugs ausgemacht 2010 stattfand.

Der "Spiegel" mutmaßt, dass Stimmen von vier asiatischen Vertretern aus der ebenfalls mutmaßlichen schwarzen Kasse gekauft worden seien. Einer der vier Herren, Chung Mong-joon, beschied auf Nachfrage des Magazins, dass diese einer Antwort nicht würdig sei. Der reichste Mann Südkoreas war erst am 8. Oktober dieses Jahres von der Fifa-Ethikkommission für sechs Jahre gesperrt worden, weil er angeblich seinem Heimatland die WM 2022 durch Einzahlung von 690 Millionen Euro in einen Fifa-Entwicklungsfond sichern wollte. Chung Mong-joon geht in diesem Fall von einer Intrige Blatters aus, den er gerne als Präsident beerbt hätte. Warum sich der Hyundai-Erbe vor zehn Jahren für eine vergleichsweise lächerliche Summe verkauft haben soll, ist die Frage.

Fraglos merkwürdig ist, dass der Deutsche Fußballbund (DFB) am Freitag bekanntgab, dass eine 2005 an die Fifa erfolgte Zahlung des deutschen WM-OKs, dem Wolfgang Niersbach als Pressechef diente, möglicherweise zweckentfremdet worden sei. Es handelte sich um 6,7 Millionen Euro, die dem Fifa-Kulturprogramm zugutekommen sollten. DFB-Präsident Niersbach hatte kürzlich eine Überprüfung dieses Geldflusses angeordnet.

Der "Spiegel" mutmaßt nun, dass es sich in Wirklichkeit quasi um die Begleichung der Schuld gegenüber Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus handelte – über den nicht ganz leicht nachvollziehbaren Umweg Fifa. Im Aufsichtsrat des WM-OKs, welches das spätere Sommermärchen verantwortete, saßen übrigens der heutige Chefolympier Thomas Bach und der aktuelle deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble.

Der DFB hat noch am Abend den"Spiegel"-Bericht als haltlos zurückgewiesen. Die Schlussfolgerungen des Nachrichtenmagazins seien durch keinerlei Fakten belegt, hieß es in einer Mitteilung. "Mit aller Konsequenz hielt der DFB deshalb nochmal ausdrücklich fest, dass dementsprechend weder der DFB-Präsident noch die anderen Mitglieder des Organisationskomitees in derartige Vorgänge involviert sein oder davon Kenntnis haben konnten". Der Verband behielt sich zudem rechtliche Schritte gegen den "Spiegel" vor. (sid, lü, 16.10.2015)