Elektrofahrzeuge im Grenzbereich. Der Renault Twizy als Testobjekt für die Suche nach dem Spaß in der neuen Mobilität.

Foto: Gluschitsch

Wir ziehen den Hut vor dem Twizy, weil er so kurzweilig und der Tanz im Grenzbereich so einfach ist.

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Drift-Experte und ÖAMTC-Fahrtechnik-Trainer Rupert Schachinger hat leicht lachen. Ihm macht es auch nichts aus, wenn im Winter das Auto quer kommt. Unbedarftere könnten da ganz anders dreinschauen.

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Der Geschmack war eine Mischung aus Nadelholz und Blut. Irgendwo in der Ferne haben die Vogerln gezwitschert, und gleich hinter dem köstlichen Nadelbaum lag das Fahrrad. Also so ein E-Bike. Ein Mountainbike mit Elektrounterstützung. Der Schlag, mit dem die Realität eine gewisse Bodenständigkeit einforderte, fand nur wenige Meter nach dem Start statt. Und noch bevor die Vollständigkeit der Zähne überprüft war, setzte sich ein Gedanke fest: Diese E-Mobilität, die könnte ja richtig lustig werden. Die ist gar nicht so fad, wie Windräder, kratzende Juteschals und Ladestationen mit Kringelkabellogo suggerieren. Man muss sie halt nur richtig nutzen. Mit viel kindlicher Neugier und jeder Menge Übermut.

Und dann ist sie auf einmal da, die Frage der Fragen: "Wie falsch muss ich etwas Sinnvolles benutzen, damit es richtig Spaß macht?" Das steckt schon eine Herausforderung dahinter. Denn mit einem Tesla Roadster oder Model S kann bald einmal wer behaupten, dass die Runde zur Oma und wieder retour recht kurzweilig ist. Aber wenn es dann darum geht, 80.000 bis 100.000 Euro auf den Tisch zu knallen – oder zahlt man bei Tesla eh nur mehr elektronisch? -, dann werden die Gesichter schnell lang. Sehr lang.

100 Jahre Batteriemiete

Es geht auch ein paar Nummern kleiner. Ein Renault Twizy 80 kostet nicht einmal 8000 Euro, und mit dem Preisunterschied zum Einstiegs-Tesla kann man sich auch noch weit weit mehr als 100 Jahre lang die Batteriemiete um 50 Euro pro Monat leisten.

Aber macht so eine kleine Fuhre auch richtig Spaß? Kann man ihn driften? Geht der Twizy quer?

"Geht nicht", sagt der Rupert Schachinger, ÖAMTC-Fahrtechnik-Instruktor und Drift-Experte. Wir können davon ausgehen, dass er es seinerzeit beherzt versucht hat. Doch er hatte nur den kleinen, auf 45 km/h begrenzten Twizy. Wir bringen zum Zweitversuch den großen, 80 km/h schnellen Twizy ins Fahrtechnikzentrum nach Teesdorf, noch dazu in der Sportversion. Die ist jetzt auch nicht stärker, wirkt aber optisch, wegen der Türen, agiler.

Driftauslöser Generator

Weniger um die Reifen zu schonen, sondern vielmehr, um dem Twizy mit seinen elf PS eine faire Chance zu geben, spielen wir uns mit ihm auf dem Rutschbelag. Der nasse Untergrund hat in etwa den Reibwert einer Schneefahrbahn, erklärt Rupert Schachinger. Der Grenzbereich, in dem die Reifen die Haftung verlieren, kommt also eher früh. Ein Stabilitätsprogramm hat der Renault Twizy nicht. Beste Driftvoraussetzungen.

Das Kunststück ist aber ohnedies nicht, einen Wagen quer zu bekommen – einfach zu schnell in die Kurve fahren -, diffiziler ist es, den Wagen im Grenzbereich quer zu halten. Eine ordentliche Blick- und eine saubere Lenktechnik wirken da wahre Wunder.

Kinderleicht und flüsterleise

Schon beim ersten Versuch überrascht uns der Twizy. Zum einen, weil das Zirkeln auf dem schmalen Grat zwischen Eindrehen und Geradeausfahren so einfach und lustig ist, dass wir, siehe Fotos, bald künstliche Herausforderungen suchen, die das Driften erschweren sollen.

Für die zweite Überraschung müssen wir kurz ausholen: Es gibt mehrere Methoden, eine Drift auszulösen. Keine davon muss man beherrschen, wenn man den Twizy quer kriegen möchte.

Denn wenn man zügig in die Kurve fährt und nach dem Einlenken leicht auf die Bremse tritt, presst der Renault – wie die meisten E-Autos – nicht gleich die Beläge an die Bremsscheiben, sondern versucht, über den Generator erst einen Teil der Bremsenergie zurückzugewinnen.

Überbremste Hinterachse

Die Energie für den Generatorantrieb holt sich das System über die Hinterräder. Die Folge auf rutschigem Belag ist, dass der Twizy hinten überbremst, den Grip verliert und sofort mit dem Heck ausbricht. Nicht bösartig, aber doch so, dass Ungeübte oder Überraschte wohl schnell verkehrt auf der Straße stehen.

Beim Twizy ist das in Wirklichkeit kein Problem. Wenn draußen Schnee liegt und das Eis blitzt, wird mit dem offenen und unbeheizten Twizy nur fahren, wer weiß, worauf er sich einlässt. Und auf einem Untergrund, der griffiger ist, kommt er nicht quer, weil er dafür zu langsam oder die Rekuperation zu schwach ist.

Wenn der Tesla wedelt

Aber bei starken E-Autos, die ebenfalls über die Hinterräder Energie zurückgewinnen, könnte das trotz Stabilitätsprogramms zu unschönen Szenen bei wenig Grip oder schlechten Reifen führen.

Die dritte Überraschung war dann keine große. Wir hatten mit dem Twizy so einen Spaß und ihm beim Spielen so viel abverlangt, dass nach nur wenigen Runden die Akkus leer waren. (Guido Gluschitsch, 19.10.2015)