Der Kürbis kann sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beschweren. Nach dem Spargel und dem Eierschwammerl ist der Kürbis die dritte Plage, die alljährlich die Wirtshäuser dieses Landes heimsucht. All die anderen Köstlichkeiten einer Saison bleiben dank dieser Ein-Gemüse-Politik schnell auf der Strecke oder werden zu Nebendarstellern degradiert. Wann haben Sie das letzte Mal "Rote-Rüben-Wochen" oder "Krautzeit" gelesen?

Für all das kann der Kürbis natürlich nichts, und an und für sich schmeckt er auch ganz köstlich. Irgendwo zwischen Erdäpfel, Maroni und Melone angesiedelt und je nach Art näher an einem der drei Pole, glänzt er etwa in Desserts oder ganz puristisch roh dünn aufgeschnitten mit gutem Prosciutto, etwas Kren und Schlagobers.

Foto: Tobias Müller

In den vergangenen Wochen habe ich mich aber immer wieder mit einer anderen Zubereitungsart beschäftigt. Das Rezept ist eine Abwandlung einer Würzkombination, die in der chinesischen Küche "seltsamer" oder "komischer" Geschmack heißt – sie schmeckt allerdings eher heimelig-süchtigmachend gut und ist unverschämt einfach zuzubereiten.

Begonnen habe ich meine Kürbisversuche, weil noch eine weitere, in Österreich etwas ungewöhnlichere Pflanze gerade Saison hat. Im Burgenland steht derzeit die erste größere Reisernte an. Seit ein paar Jahren experimentiert der Erwin Unger auf seinen Feldern bei Wallern, gleich an der ungarischen Grenze im Seewinkel, mit Reisanbau. In der kommenden Woche wird es nun so weit sein, etwa vier Tonnen sollen geerntet werden. Ich finde das super, weil Reis aus der Region in Wien bisher eher nicht zu kriegen war, der Unger-Reis biologisch angebaut wird (gedüngt mit dem Abfall von Erdäpfeln und Zuckerrüben) und außerdem ziemlich gut schmeckt. Auf dass der kulinarische Austausch nicht immer bloß in die andere Richtung stattfindet. Ich hatte die Ehre, ein bisserl was von dem Reis vorab zu bekommen und damit zu experimentieren.

Reisfeld in Wallern im Burgenland.
Foto: Tobias Müller

Angebaut werden zwei Sorten, ein schwarzer Reis aus China und ein roter aus Indien. Beide werden nicht poliert, sind also quasi Vollkornreis, schmecken aber, wenn frisch gegessen, gar nicht so unangenehm gesund wie viele andere Vollkornreise. Vor allem der schwarze, mein Favorit, hat eine ganz eigene Süße und Würze, die ein bisserl an Nüsse und warme Milch erinnert. Die Körner sind auch nach längerem Kochen eher klein, ziemlich bissfest und geben wenig Stärke ab, was nach schlechter Konsistenz klingt, in der Praxis aber ziemlich gut funktioniert.

Foto: Tobias Müller

Der Seewinkel ist klimatisch geeignet, um Reis anzubauen, in Ungarn hat der Reisanbau eine fast lange Tradition. Um zu reifen, brauchen die Reiskörner mindestens 150 Tage mit einer Durchschnittstemperatur von über 18 Grad – das geht sich im Seewinkel gerade aus. Dank des Windes, der hier sehr oft und stark weht, befruchten sich die Reispflanzen gegenseitig; und anders, als ich bisher immer dachte, muss Reis nicht auf mehr oder weniger ständig unter Wasser stehenden Feldern angebaut werden.

Die Dauerbewässerung diene eher der Unkrautvermeidung, hat mir der Herr Unger erklärt – wenn das Feld unter Wasser steht, kann nichts anderes wachsen, und niemand muss spritzen oder Unkraut jäten. Im Burgenland wird händisch gejätet, weil es hier erstens keine bewässerten Terrassen gibt und zweitens unter Wasser verwesendes Unkraut relativ viel CO2 produziert.

Bereits einmal wurde versucht, im Burgenland Reis zu kultivieren: 1864, als der See fast vollständig austrocknete, bauten Bauern im zurückbleibenden Schlamm Reispflanzen an – mit mäßigem Erfolg. Diesmal aber scheint es zu klappen. Die Unger'sche Ernte soll noch dieses Jahr von einer großen österreichischen Biomarke im Supermarkt verkauft werden.

Ich werde bei einem Reiserntedankfest damit kochen und mich dabei an einem burgenländisch-asiatischen Crossover-Menü versuchen. Neben dem Unger'schen Reis wird's hoffentlich Tofu aus Rotenturm an der Pinka, Fischsauce vom Traunsee und eine Art Sherry (statt Shaoxing-Reiswein, dafür fehlt die Zeit) vom Leithaberg geben. Der Kürbis soll in einem von vier Gerichten die Hauptrolle spielen.

Kürbis mit "seltsamem Geschmack"

Klassisch wird dieses Gericht mit frittierter oder gebackener Melanzani zubereitet – weil die aber im Burgenland Ende Oktober nicht zu kriegen ist, habe ich zu Hokkaido-Kürbis gegriffen. Seine Konsistenz ist zwar nicht ganz so schön cremig-schleimig wie die von Melanzani, ein wenig Klebrig- und Breiigkeit hat aber auch der Kürbis zu bieten. Die Hauptwürzmittel – Ingwer, Chili, Zwiebel – passen jedenfalls gut zu seiner pikanten Süße. Mein Referenzrezept stammt aus diesem super Buch.

Heizen Sie Ihr Backrohr auf 250 Grad vor. Schneiden Sie etwa ein Kilo Hokkaido in Spalten, ölen Sie den Kürbis ein wenig ein und schieben Sie ihn ins Rohr.

Foto: Tobias Müller

Backen Sie ihn etwa eine halbe Stunde, bis er weich und an manchen Stellen appetitlich angekokelt ist.

Foto: Tobias Müller

Schneiden Sie ihn in essstäbchengerechte Happen und stellen Sie ihn zur Seite. Mischen Sie in einer Schüssel 45 ml helle Sojasauce, 15 Gramm braunen Zucker, 15 ml Wasser und 5 ml Essig Ihres Vertrauens. Stellen Sie alles ebenfalls für später zur Seite.

Schmeißen Sie zwei große Knoblauchzehen, ein walnussgroßes Stück geschälten Ingwer, zwei frische Thai-Chilis (oder scharfe Pfefferoni) und zwei komplette Frühlingszwiebeln (Winteralternative: eine halbe Stange Lauch) in die Küchenmaschine und häckseln Sie alles schön klein. Gute alte Handarbeit tut's hier natürlich auch.

Foto: Tobias Müller

Erhitzen Sie ordentlich Erdnuss- oder Sonnenblumen- oder sonst ein geschmacksneutrales Öl und braten Sie die Knoblauch-Ingwer-Zwiebel-Mischung ein, zwei Minuten, bis Ihre Küche herrlich duftet und alles anfängt, ein klein wenig Farbe zu nehmen.

Löschen Sie das Würzgemüse mit Ihrer vorbereiteten Sauce ab und lassen Sie alles kurz aufkochen. Werfen Sie die Kürbisstücke dazu und wenden Sie sie ordentlich in der Sauce, bis sie alles aufgesogen haben und durchgewärmt sind. Der "komische Geschmack" verlangt nun traditionell nach etwas Sesam. Träufeln Sie entweder sehr vorsichtig Sesamöl über Ihren Kürbis (es gewinnt leicht die Oberhand) oder lassen Sie Ihr Gericht weniger komisch – der Sesam passt besser zur Melanzani als zum Kürbis. Servieren Sie alles entweder gleich mit Reis oder, fast noch besser, am nächsten Tag als zimmerwarmen Salat.

Kürbis mit nichtburgenländischem Reis.
Foto: Tobias Müller

"Rot gekochter" Zeller oder Schweinebauch

Zu dem Kürbis passt als Zweitgericht einerseits Mapu-Tofu , andererseits rot gegarter Zeller oder, wer's lieber fleischig hat, Schweinebauch. Das Vorbildrezept stammt aus diesem Buch ist und so zuverlässig köstlich wie simpel.

Schneiden Sie Ihren geschälten Zeller oder Ihren Schweinebauch in mundgerechte Stücke und braten ihn in einem schweren Bräter scharf von allen Seiten an. Löschen Sie das Bratgut mit ordentlich Weißwein und kratzen Sie etwaige karamellisierte Köstlichkeiten vom Boden. Schütten Sie einen halben Liter Suppe oder Wasser, 15 ml dunkle Sojasauce, 30 ml Shaoxing-Reiswein oder halbtrockenen Sherry nach und werfen Sie zwei, drei ganze Frühlingszwiebeln (oder, siehe oben, Lauch), ein daumengroßes zerdrücktes Stück Ingwer, einen Sternanis und zwei, drei Löffel braunen Zucker nach. Packen Sie den Deckel auf den Bräter und lassen Sie ihren Eintopf köcheln – für Zeller etwa 30 Minuten, für Schweinebauch etwa zweieinhalb Stunden.

Heben Sie Bauch oder Zeller mit einem Schaumlöffel aus der Sauce und kochen Sie diese auf etwa ein Drittel ein. Schwenken Sie Fleisch/Gemüse darin und lassen Sie alles mindestens eine Stunde, noch besser über Nacht durchziehen, bevor Sie es mit Reis und anderen Speisen servieren.

Menü, gekocht vor einigen Wochen, als es noch Melanzani gab: Mapu, rot gekochter Schweinebauch und Melanzani mit seltsamem Geschmack mit schwarzem Seewinkler Reis (oben links).
Foto: Tobias Müller

(Tobias Müller, 18.10.2015)