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Von wegen langweilige Eiskugel: Pluto hat sich als Welt mit Charakter erwiesen und bietet trotz seiner geringen Größe jede Menge Vielfalt.

Foto: NASA/JHUAPL/SwRI

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Die kaum berechenbaren Bahnen der beiden Minimonde Nix und Hydra stehen ganz im wechselhaften Einfluss des "binären Planeten" Pluto/Charon.

Foto: NASA/JHUAPL/SWRI

Washington/Wien – Die Bilder, die die NASA-Sonde New Horizons im Juli bei ihrem Vorbeiflug am Pluto aufgenommen hatte, gingen um die Welt. Sie erschlossen uns den Zwergplaneten, den wir bis dahin nur als anonymen Lichtfleck wahrgenommen hatten, als Himmelskörper mit überraschend individuellem Profil.

Unmittelbar nachdem das erste Datenpaket zur Erde übermittelt worden war, machten sich Forscher weltweit an die Interpretation dieser Bilder sowie weiterer Daten, die die Sonde mit ihren Messinstrumenten gesammelt hatte. Das Ergebnis ist nun in Form einer ersten Bestandsaufnahme im Fachmagazin "Science" erschienen. Nicht weniger als 151 Autoren von 34 verschiedenen Institutionen waren an dieser Studie beteiligt.

Diversität im All

Und sie bestätigt den Eindruck, dass der kleine Pluto eine Welt der Vielfalt ist. Auf seiner abwechselnd weißen, blauen und rötlichen Oberfläche findet sich Wassereis ebenso wie flüchtigeres Kohlenmonoxid- oder Methaneis sowie sogenannte Tholine: organische Moleküle, die durch UV-Bestrahlung von beispielsweise Methan entstehen. Auch in Sachen Strahldichte gibt sich Pluto abwechslungsreich: Mit Ausnahme des Saturnmonds Iapetus ist bei keinem anderen Himmelskörper im Sonnensystem der Unterschied zwischen den hellsten und dunkelsten Regionen so groß wie bei Pluto.

New Horizons hat Berge fotografiert, die sich bis in 3.000 Meter Höhe recken und aus Eis bestehen. Das Stickstoff-, Kohlenmonoxid- und Methaneis, das bereits vor dem Besuch der Raumsonde auf dem Zwergplaneten nachgewiesen wurde, ist für derart hohe Berge allerdings nicht stabil genug. Die Forscher nehmen daher an, dass derart flüchtiges Eis vielerorts nur eine relativ dünne Schicht auf der Oberfläche bildet und sich darunter deutlich härteres Wassereis zu Bergen türmt.

Plutos Atmosphäre ist sogar noch dünner als ohnehin schon erwartet. Der Luftdruck am Boden beträgt laut Messungen etwa zehn Millionstel Bar. Unklar ist, ob die Atmosphäre sich erst kürzlich ausgedünnt hat. In der Atmosphäre fotografierte New Horizons zudem Dunstschleier, deren Herkunft noch nicht geklärt ist – eine von vielen Fragen, die vorerst offen bleiben.

Keine tote Welt

Außer Bergen, Schluchten und weiten Ebenen konnte die Sonde in der Eisebene Sputnik Planum auch Hinweise auf gletscherähnliche Formationen ausmachen. Das Eis scheint dort in Bewegung gewesen zu sein oder immer noch zu fließen. Aufnahmen zeigen, wie die Materialmassen Hindernisse umflossen haben.

Auch Krater, die auf den Einschlag kleinerer Himmelskörper zurückgehen, gibt es – allerdings weniger als erwartet. Immerhin liegt Pluto im Kuipergürtel, in dem ungezählte Objekte ihre Bahnen ziehen. Das lässt laut den Forschern nur einen Schluss zu: Auf Pluto fanden Prozesse statt, die Krater überdeckten, indem sie die Oberfläche des Zwergplaneten immer wieder umgestalteten. So kann etwa die völlig kraterlose Eisebene Sputnik Planum nur etwa 100.000 Jahre alt sein – das ist sehr jung, gemessen am Alter des Sonnensystems von 4,5 Milliarden Jahren. Und vielleicht halten diese Prozesse auch bis zum heutigen Tag an. Aus welcher Energiequelle sie gespeist werden, ist vorerst völlig offen. Aber es sind auch längst noch nicht alle Daten von New Horizons eingetroffen.

Der binäre Zwergplanet ...

New Horizons hat erstmals den Durchmesser des Zwergplaneten genau bestimmt: Pluto misst demnach 2.374 Kilometer. Eine Abplattung wie etwa bei der Erde konnte die Raumsonde nicht feststellen: Die Abweichung des Durchmessers von Pol zu Pol respektive am Äquator beträgt weniger als zwölf Kilometer – Pluto ist also praktisch kugelrund.

Der mit einem mittleren Durchmesser von 1.212 Kilometern unverhältnismäßig große Mond Charon bietet erstaunlich abwechslungsreiche Landschaften. Unter anderem besitzt er ein gigantisches, kilometertiefes Canyonsystem, das mindestens viermal so lang ist wie der Grand Canyon auf der Erde. Manche Forscher spekulieren, dass auf dem Mond womöglich vor langer Zeit ein unterirdischer Ozean gefroren ist und dabei durch die Volumenänderung die komplette Kruste aufgesprengt hat. Und Charon scheint ähnlich wie Pluto geologisch aktiv zu sein.

... und seine Monde

Ganz anders die winzigen Plutomonde Hydra und Nix: Hydra ist laut den Messungen von New Horizons etwa 40 mal 30 Kilometer groß, Nix etwa 50 mal 30 Kilometer. Beide Minimonde reflektieren überraschend stark. Die Astronomen nehmen daher an, dass Nix und Hydra mit reinerem Wassereis bedeckt sind als Charon. Wie sie über Jahrmilliarden derart unbefleckte Oberflächen behalten konnten, ist bereits das nächste Rätsel. Beide zeigen ungewöhnliche Rotationsbewegungen, woran vermutlich der übergroße Charon schuld ist. Laut Douglas Hamilton von der Universität Maryland könnte man sie daher weniger als Plutomonde denn als Trabanten des "binären Planeten" Pluto/Charon betrachten.

Bei Charon, Nix, Hydra und den beiden weiteren Minimonden Kerberos und Styx ist es übrigens geblieben, weitere Monde konnten auch aus der Nähe nicht entdeckt werden. Dabei hatte es im Team von New Horizons sicherheitshalber sogar eine eigene Arbeitsgruppe für Kurskorrekturen der Sonde gegeben, sollte sie im Plutosystem auf bislang nicht entdeckte Kleinmonde oder ähnliche Objekte treffen. (jdo/APA, 16.10.2015)