Budapest – Ungarn bereitet die Abschottung seiner Grenze auch zu Kroatien vor. Ein Zaun an der Grenze sei inzwischen fertiggestellt, sagte János Lázár, der Stabschef von Regierungschef Viktor Orbán, am Donnerstag. Die Grenzschließung durch Polizei und Armee könne beginnen, sobald politisch darüber entschieden sei.

Die Entscheidung wird einem Medienbericht zufolge möglicherweise noch am Freitag fallen. Orbán habe dafür für den frühen Nachmittag eine Sitzung des Sicherheitskabinetts angesetzt, berichtete der Fernsehsender M1. Demnach ist auch der Ausgang des EU-Flüchtlingsgipfels ausschlaggebend für Orbáns Entscheidung. Er hatte am Donnerstag angekündigt, die Grenze zu Kroatien bei Bedarf innerhalb einer Stunde abriegeln zu können.

Bisher sind laut Orbán mehr als 378.000 Flüchtlinge über Ungarn in die EU gereist. Mehr als 220.000 wurden im südserbischen Presevo an der Grenze zu Mazedonien seit Jahresbeginn registriert, berichteten serbische Medien am Freitag. Bis Ende des Jahres könnte die Zahl der Ungarn passierenden Menschen auf 600.000 bis 700.000 steigen.

Polen unterstützt Ungarn

Der Zaun soll die Flüchtlingsbewegung eindämmen, die sich nach dem Bau eines Zauns an der Grenze zu Serbien an die kroatische Grenze verlagert hat. Damals handelte sich Ungarns Regierung Kritik in der EU ein. Nun erhält es beim Grenzschutz Unterstützung anderer osteuropäischer Staaten. Rund 70 polnische Beamte sollen ihre Kollegen bei der Sicherung der Grenze zu Serbien unterstützen, kündigte Polens Ministerpräsidentin Ewa Kopacz am Freitag im Anschluss an den EU-Gipfel an.

Zudem würden fünf Spezialfahrzeuge mit Nachtsichtgeräten und Ausrüstung sowie weitere Fahrzeuge nach Ungarn geschickt, sagte Kopacz der Nachrichtenagentur PAP. Ferner werde Polen die EU-Grenzschutzbehörde Frontex mit weiteren 40 Beamten zu den bereits 40 eingesetzten unterstützen. In einer gemeinsamen Erklärung hatte es am Rand des Gipfels geheißen, dass Polen, Tschechien und die Slowakei jeweils rund 50 Grenzschutzbeamte nach Ungarn schicken wollten.

Die vier EU-Länder der Visegrád-Gruppe betonten darin, dass der Schutz des Schengenraums für sie hohe Priorität genieße. Ungarn ist Mitglied des Schengenraums, in dem Grenzkontrollen weitgehend abgeschafft sind. Kroatien und Serbien sind dem Abkommen nicht beigetreten.

Kroatien hat einen Plan

Kroatien wiederum habe in Flüchtlingskrise eine Lösung ungeachtet der künftigen Handlungen Ungarns an der Hand. Das sagte Premier Zoran Milanovic im Vorfeld einer ungarischen Entscheidung über eine mögliche Schließung der Grenze zu Kroatien. Nach Einschätzung des slowenischen Premiers Miro Cerar besteht eine "reale Möglichkeit", dass es in den nächsten Tagen zu einer "größeren Sperre" kommt.

"Kroatien hat eine Lösung. Ungarn ist dabei nicht wichtig, es kann machen, was es will. Wir haben einen Plan, wonach Kroatien sicher bleibt und die Bürger keine Probleme haben. Das ist in diesem Moment das Wichtigste", sagte Regierungschef Milanovic laut der Nachrichtenagentur Hina am Freitag in Brüssel, wo er am Rande des EU-Gipfels auch mit Orbán zusammentraf. "Allerdings – es ist, wie es ist."

Kroatien habe eine Variante, um seine Interessen zu schützen. Konkretes für den Fall, dass man die Flüchtlinge auf ihrem Weg auf der Balkanroute künftig nicht mehr weiter nach Ungarn leiten könnte, enthüllte Milanovic allerdings nicht: "Es besteht immer die Möglichkeit, dass Kroatien einen Zaun baut. Das wäre die letzte Möglichkeit. Das wünschen wir nicht." (APA, 16.10.2015)