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Shawn Whirl wird von seiner Mutter Erma Whirl und seiner Verlobten Gloria Castanedain in der Freiheit in Empfang genommen.

Foto: AP/Steve Davis

Tränen sind keine geflossen bei Shawn Whirl. "Ich habe nicht geweint. Ich glaube, ich habe im Kampf gegen dieses Unrecht so viel geweint, dass mir die Tränen ausgegangen sind." Dieses Unrecht, das sind 24 Jahre Haft für einen Mord, den der heute 42-jährige US-Amerikaner nicht begangen hat.

Es war im Jahr 1991, als der dunkelhäutige Whirl in Chicago für den Mord an einem Taxifahrer verurteilt wurde. Einziger Beweis war ein Geständnis, das – wie Whirl später angab – durch Folter erzwungen wurde. Ein Polizist trat ihn, schlug ihn, beschimpfte ihn rassistisch, außerdem habe der Beamte mit einem Schlüsselband immer wieder Whirls Bein angekratzt, bis es rau und blutig wurde. 24 Jahre sollte es dauern, bis ihm die Gerichte glaubten.

Vor zwei Monaten hat ein Gericht in Illinois das Urteil aufgehoben, am Dienstag ließ ein Richter im Cook County schließlich alle Vorwürfe gegen Whirl fallen. Einen Tag später konnte er das Gefängnis in Galesburg verlassen, empfangen wurde er von seiner Mutter, seiner Verlobten und seinem Anwalt. "Ich kann es immer noch nicht glauben", war seine erste Reaktion.

Lust auf Kaugummi

Auf seine zukünftigen Pläne angesprochen, sagte Whirl, dass er gerne Häftlingen bei der Durchsetzung ihrer Rechte helfen wolle. "Was bringt es, mir im Gefängnis all das Wissen über die Gesetzeslage angeeignet zu haben, wenn ich es dann nicht teile?" Zuvor aber wolle er etwas essen, das nicht frittiert sei wie das ganze Essen im Gefängnis. Und einen Kaugummi, den wolle er auch bald kauen – das war in Haft nämlich verboten.

Danach will Whirl sich mit seinem Anwalt beraten, ob er eine Klage auf Entschädigung einreichen soll. Bereits im Mai hatte die Stadt Chicago entschieden, 5,5 Millionen Dollar (4,8 Millionen Euro) für Entschädigungszahlungen bereitzustellen. Schließlich waren zwischen 1972 und 1991 unter dem damaligen Polizeichef Jon Burge zahlreiche dunkelhäutige Männer gefoltert worden, um Geständnisse zu erpressen.

Entschuldigung der Stadt Chicago

Chicago hatte sich jahrzehntelang gegen eine Wiedergutmachung gestemmt. Im Mai sprach Bürgermeister Rahm Emanuel von einem "wichtigen Schritt, um ein Unrecht wiedergutzumachen und einen Makel zu entfernen". Die Stadt sprach den Opfern zudem eine förmliche Entschuldigung aus und will sie neben der Entschädigungszahlung auch durch Beratung und kostenlose Bildungsangebote unterstützen. (red, APA, 15.10.2015)