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Das Bussi-Plakat ist rhetorisch populistisch, wendet sich aber nicht gegen das Establishment.

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wien – Die Grünen müssten "raus aus dem Dachboden und wieder ins Erdgeschoß" – also zurück zu den Menschen, forderte der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz im STANDARD-Gespräch. Denn solange die Österreicher Zukunftsängste hätten, würden sie auch rechte Parteien wählen. Darum müssten die Grünen ein "linker Gegenpol" zur FPÖ werden, sonst würden sie mitverantworten müssen, dass es nach den nächsten Nationalratswahlen 2018 eine blau-schwarze Regierung geben werde.

Anstatt sich über FPÖ-Wähler lustig zu machen, müssten die Grünen "mehr auf die Lebensfragen der Menschen eingehen, ob sie sich ihre Wohnung leisten können und Arbeit haben", sagte Pilz: "Ein junger arbeitsloser Elektriker, der die FPÖ wählt, macht das etwa aus Angst vor Lohndumping durch Ausländer, aber der ist kein Strache-Klon oder Mini-Kickl." Mit "Linkspopulismus" sollten die Grünen, so Pilz, punkten.

Form politischer Rhetorik

Dass gerade Pilz die Debatte um die grüne Positionierung angestoßen hat, erklärt der Politologe Peter Filzmaier damit, dass die Grünen auf Bundesebene in der Opposition sind. Für eine Oppositionspartei – wie sie auch die FPÖ ist – sei das sinnvoll. Populistische Forderungen müssten weder argumentiert noch budgetär bewiesen oder mit einem Koalitionspartner verhandelt werden. Auf Landesebene sind die Grünen allerdings in mehreren Regierungen vertreten. Populismus könne wissenschaftlich nämlich als "Form politischer Rhetorik" definiert werden, also einer Mischung aus Inhalt und Inszenierung. Populismus könne aber auch – wie ihn in Österreich die Rechtspopulisten betreiben – als Kritik an der Elite, als "gegen die da oben" verstanden werden, sagte Filzmaier.

"Wir brauchen keinen Populismus, sondern eine Politisierung", reagiert Ewa Dziedzic, Sprecherin der Grünen Frauen Wien, auf den Vorstoß von Pilz. Die Grünen müssten wieder mehr in die Tiefe gehen: "Viele Wähler sind politikverdrossen, dem muss man eine klare linke Haltung entgegensetzen." Dass Parteien im Wahlkampf viele ansprechen wollen, sei verständlich, aber die Lösung sei nie Populismus. Viel eher müsse die Politik den Menschen nähergebracht werden. Dziedzic sieht die Schule als wesentlichen Ort, wo dies passieren könnte.

Oberflächlicher Wahlkampf

Aufregung gab es innerhalb der Grünen bereits im Wahlkampf um die vom Werberat als "sexistisch" eingestuften Plakate. "Was plakatiert wird, ist nur ein kleiner Teil einer Kampagne", sagte Dziedzic dazu. Es hätte viele Aktionen und Veranstaltungen gegeben, die sich mit den grünen Inhalten auseinandergesetzt haben.

Strenger geht die grüne Wissenschaftssprecherin Sigrid Maurer mit dem "oberflächlichen" Wahlkampf ins Gericht. Dieser und die Plakate seien schon ein Schritt in Richtung Populismus gewesen. "Dieser gehört auch rückgängig gemacht", sagte sie zum STANDARD. Es brauche in der politischen Debatte "weniger statt mehr Populismus", sagte Maurer. Die Zugewinne der FPÖ seien zwar klar auf diese Strategie zurückzuführen, für einen Erfolg bei Wahlergebnissen, wolle sich die grüne Abgeordnete aber nicht auf dieses "niedrige Niveau" einlassen. Sie plädiert für mehr Sachpolitik.

Selbstverschuldete Negativdebatte

Filzmaier bezeichnet die innerparteiliche Diskussion um Populismus als "selbstverschuldete Negativdebatte", die nach dem für die Grünen enttäuschenden, aber eigentlich kleinen Verlust von 0,8 Prozentpunkten nicht nötig wäre.

Denn die bisherige Positionierung der Grünen sei eine Erfolgsgeschichte – von ihren Anfängen, als es noch darum ging, ob sie Partei oder politische Bewegung seien, bis heute, da sie zum Teil mitregieren und auch für eine Neuauflage von Rot-Grün in Wien die Chancen nicht schlecht stehen. Die Debatte schade der Partei, sei aber nicht zu verhindern – es entwickle sich eine Eigendynamik. (Oona Kroisleitner, Christa Minkin, 15.10.2015)