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Dass Deutschland beim Netzausbau säumig sei, führe zu Verwerfungen, so die heimische Branche.

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Wien – Deutliche Kritik an der deutschen Energiepolitik und an den Plänen, die gemeinsame Strompreiszone von Deutschland und Österreich aufzuteilen, kommt vom österreichischen Regulator und von der E-Wirtschaft. Die deutschen Pläne hätten "nur den Hintergrund, dass es den Deutschen nicht gelingt, den Netzausbau voranzubringen", sagte Gerhard Christiner, Vorstand des Übertragungsnetzbetreibers APG.

Die Deutschen wüssten nicht wohin mit der vielen Energie und "versuchen mit Maßnahmen entgegenzusteuern, wo wir einfach glauben, dass das nicht der Weg sein kann, dass wir liquide große Märkte auftrennen". Deutschland arbeite damit gegen das Ziel der EU, einen gemeinsamen Energiemarkt zu schaffen.

Es sei "höchste Zeit", dass beim Netzausbau in Deutschland etwas vorangehe, weil sonst "die Energiewende auf halbem Weg stecken bleibt", sagte Christiner am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien im Vorfeld einer gemeinsamen Fachtagung der Österreichischen Gesellschaft für Energietechnik (OGE), des Österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (OVE) und der Energietechnischen Gesellschaften Deutschlands und der Schweiz, die am Donnerstag und Freitag in Eisenstadt stattfindet.

Massive Verwerfungen

"Die deutschen Maßnahmen, unabgestimmt mit anderen Ländern, führen dazu, dass wir massive Verwerfungen auf den europäischen Energiemärkten haben", kritisierte E-Control-Vorstand Martin Graf. Speziell die österreichischen Pumpspeicherkraftwerke hätten eine große Bedeutung für das Gelingen der deutschen Energiewende, sagte Graf, "und diese Bedeutung steht auf dem Spiel, wenn die Deutschen eine Auftrennung der österreichisch-deutschen Preiszone fordern". Für die Stromkunden in Österreich würde das Preiserhöhungen bedeuten.

Die E-Control stehe den Kraftwerksförderungen in Europa sehr skeptisch gegenüber, sagte Graf und verwies auf die Förderungen für das britische Atomkraftwerks Hinkley Point, aber auch auf Förderungen für Kohlekraftwerke und zahlreiche Erneuerbare. In Österreich brauche man aufgrund des Auslaufens einzelner Förderungen eine Folgeregelung.

Das Ökostromgesetz stehe im Verfassungsrang und deshalb brauche man dafür im Parlament eine Zweidrittelmehrheit, eine breite Zustimmung sei daher notwendig. Eine größere Änderung des Ökostromgesetzes würde auch einer Notifizierung der Europäischen Kommission bedürfen", erklärte Graf. "Dass wir heuer noch eine gesetzliche Änderung da sehen werden, habe ich jetzt nicht im Fokus."

Der Investitionsbedarf für den Ausbau der Netzinfrastruktur in Europa sei groß, sagte OVE-Präsident Franz Hofbauer. "Wir haben inzwischen 130 Gigawatt an Windkraftanlagen installiert, bei Photovoltaik sind es ungefähr 90 Gigawatt. Insgesamt sind das mehr als 20 Prozent der gesamten Erzeugungsstruktur in Europa." Bis 2030 sei eine Verdoppelung oder Verdreifachung möglich. Damit sei die Energiewende aber noch nicht geschafft. EU-weit müssten 48.000 Kilometer an Übertragungsleitungen neu gebaut oder verstärkt werden. Das Gesamtinvestitionsvolumen betrage rund 150 Mrd. Euro, sagte Hofbauer.

Beim Netzsausbau säumig

Dass Deutschland beim Netzausbau säumig ist, bestätigt auch Rainer Speh, Vorsitzender der deutschen Energietechnischen Gesellschaft (ETG). Man habe zwar eine Zielsetzung – einen Erneuerbaren-Anteil von 80 Prozent im Jahr 2050; allerdings habe man "keinen Bauplan" dafür.

Nicht nur das "irritiert" APG-Vorstand Christiner, sondern auch der jüngste Beschluss der deutschen Regierung, Stromübertragungskabel künftig unterirdisch zu verlegen. "Diese Entscheidung, jetzt einen Großteil zu verkabeln, heißt, mit der Planung völlig bei null zu beginnen, weil die Trasse eine ganz andere sein muss." Man werde dadurch um drei, vier Jahre zurückgeworfen.

Was den Netzausbau in Österreich betrifft, gibt es nach Ansicht der E-Control genügend Anreize für Investitionen. Jetzt liege es an den Netzbetreibern, auch tatsächlich zu investieren. "So günstig finanzieren wie derzeit werden wir wohl in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr können", sagte Graf.

Er sei "froh", so Graf, dass die österreichischen Netzbetreiber jetzt auf das Thema Netztarife "aufgesprungen" seien. Derzeit sehe die Tarifstruktur so aus, dass es bei Industrie und Gewerbe bis zu 50 Prozent Leistungspreisanteile gebe – also eher Fixkosten-Komponenten. Bei den Haushalten gebe es eine Leistungspauschale (Grundgebühr) von rund 20 Prozent. "Der Vorschlag ist, darüber zu diskutieren, wie das Verhältnis zwischen fixen und variablen Tarifen aussieht." Es gebe immer mehr Photovoltaik-Anlagen, die immer weniger Netztarife bezahlten, weil sie weniger Strom aus dem Netz bezögen, gleichzeitig müsse aber die Netzkapazität zur Verfügung stehen.

Man werde noch heuer – im November, Anfang Dezember – eine Diskussion mit den Sozialpartnern inklusive der Industriellenvereinigung darüber führen und danach werde es einen breiten öffentlichen Diskurs darüber geben, "wer welchen Beitrag für die Bezahlung der Netzentgelte zu leisten hat". (APA, 14.10.2015)